Rhein-Pfalz Kreis Abenteuerliche Flussfahrt mit abruptem Ende

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Mit einem umgebauten Angelkahn auf der Donau über 3000 Kilometer von Altrip bis ins Schwarze Meer fahren – der Plan des Altripers Uli Stahl klingt abenteuerlich. Ein Abenteuer ist es tatsächlich geworden, wenn auch anders als gedacht. Stahl wurde beschattet, verhaftet, bestohlen und seinen Kahn ist er auch los. Trotzdem würde er es wieder machen, sagt der Rentner, der vom Fluss, der Landschaft und den Menschen schwärmt.

ALTRIP. „Ich hätte nie gedacht, dass es in Europa so etwas gibt!“ Uli Stahl schüttelt den Kopf, wenn er von seinen Erlebnissen erzählt, von den Unbilden, die ihn vor allem in Rumänien ereilt haben. Er hat schon viel erlebt auf seinen Reisen – mit dem Fahrrad nach Berlin und zu Fuß zurück, mit dem dreirädrigen Lieferwagen nach Lillehammer, mit dem Jeep durch Wüsten und Gebirge oder vor zwei Jahren mit dem Angelkahn bis an die Oder (wir berichteten). Die Tour auf der Donau durch zehn Länder, vier Hauptstädte und 50 Schleusen soll das letzte Abenteuer als Alleinreisender sein – das hat der 68-Jährige seiner Frau Monika versprochen. 3058 Kilometer hat er zurückgelegt. Akribisch geplant und detailliert vorbereitet war die Tour, aber ... „Als ich beim Rückflug im Flugzeug von oben Deutschland gesehen habe, war ich schon froh“, gesteht der Altriper rückblickend. Ja, er ist zurückgeflogen, nicht etwa mit seinem Kahn wieder die Donau hinaufgeschippert oder mit einem Schiff durchs Mittelmeer, wie eigentlich vorgesehen. Denn der über 70 Jahre alte, eigenhändig zum schwimmenden Reisemobil umgebaute Kahn liegt gut 3000 Kilometer entfernt, festgesetzt von der Polizei in Rumänien. „Vielleicht fährt den jetzt irgendein Funktionär“, sagt Stahl – aber ohne Groll. Vollbärtig, tief braungebrannt und zehn Kilo leichter als vor der Abfahrt sitzt er in seiner Küche in Altrip. Stahl hat seinen Humor und seine Lust auf Abenteuer nicht verloren. Er erzählt – von der Freude über die zahlreichen Freunde und Bekannten, die ihn bei der Abfahrt am 30. April am Rheinufer überrascht haben (wir berichteten am 2. Mai), und darüber, dass sein Sohn Matthias ihn die ersten zwei Tage mit dem Paddelboot begleitet hat. Den Rhein hinab, durch den Main und den Main-Donau-Kanal in die Donau ging die Fahrt. Übernachtet wurde im Zelt am Ufer, auf dem „Moro“ getauften Boot oder unter freiem Himmel. Nach zehn Tagen bekam Stahl Besuch: Ehefrau Monika und sein Freund Bernd Hintze mit Ehefrau warteten mit dem Wohnmobil im niederbayerischen Vilshofen auf ihn. Von vielen netten und berührenden Begegnungen kann der gelernte Matrosen-Motorenwart, der 40 Jahre lang in Ludwigshafen als Straßenbahnfahrer arbeitete, erzählen. Von einem ihm bekannten Schiffskoch, der ihn im österreichischen Linz mit leckerem Essen versorgte – und mit warmer Kleidung, weil es teilweise nur noch fünf Grad hatte. Dafür geriet Stahl in Bulgarien in eine Hitzewelle. Von einem afghanischen Flüchtling erzählt er, der ihn in der Wachau in seinem Zelt entdeckte und zu seiner Familie zum Essen einlud. Von einem Altriper, den er in Ungarn traf. Von einem ungarischen Fischer, bei dem er sein Handy-Ladekabel vergaß und der es kurzerhand der Besatzung eines Passagierschiffs für Stahl mitgab – die es ihm tatsächlich zwei Tage später auf dem Fluss überbrachte. Und, und, und ... „Mit den einfachen Leuten gab es nie Probleme“, sagt der Altriper. Er habe viel Hilfsbereitschaft und Offenheit erlebt und viele gute Gespräche geführt. Es sind diese Momente – neben der überwältigenden Landschaft, der Besichtigung beeindruckender Städte am Fluss und dem sich immer wieder anders zeigenden mächtigen und teilweise wilden Strom („gegen die Donau ist der Rhein fast so zahm wie der Rehbach“) –, die für Uli Stahl die Reise unvergesslich machen. Im positiven Sinn. Dann gibt es aber auch noch die andere Seite. In der Slowakei wies ein Schleusenwärter seinen 4,20 Meter langen und 1,40 Meter breiten Kahn ab. Als Stahl sich zu einer anderen Schleuse kämpfte, habe ihn schon ein „Empfangskomitee“ erwartet, samt Hafen- und Schleusenkapitän. 150 Euro Strafe sollte er zahlen, dann zurück zur ersten Schleuse fahren und sich von dort telefonisch anmelden. Reine Willkür – da kannten die Slowaken den flusserprobten Uli Stahl aber schlecht: „Ich bin in meinen Kahn und dann drei Stunden lang auf der Schifffahrtsroute im Kreis gefahren“, sagt er mit verschmitztem Lächeln. Auf die Weise habe er den internationalen Schiffsverkehr auf der Donau lahmgelegt. Die Schiffer hätten ihn ermuntert, weiterzumachen: „Denen geht es dort immer so.“ Irgendwann kam die Polizei. Nach einigem Hin und Her habe ein älterer Ordnungshüter erwirkt, dass Stahl 100 Euro der bezahlten „Strafe“ zurückbekam und weiterfahren durfte. Da hatte jemand bereits aus der europäischen Fahne am Heck der „Moro“ die deutsche Flagge herausgeschnitten. Ein Souvenir? Stahl war die Sache nicht ganz geheuer, verfolgten ihn doch einige Männer: „Ich bin im Dunkeln weitergefahren und habe im Schilf übernachtet.“ Noch dicker sollte es aber in Rumänien kommen. Dort ist das Eiserne Tor, ein imposanter Durchbruch der Donau durch die Karpaten an der Grenze zwischen Rumänien und Serbien. Darauf hatte sich Stahl schon im Vorfeld gefreut. Als er die Stelle erreichte, war Fernsehreporterin Sarah Endepols mit ihm im Boot. Denn ein Team des SWR begleitete Stahl teilweise auf seiner Tour. Was die beiden nicht wussten: Sie waren versehentlich bei der Fahrt auf dem Fluss wenige Meter auf rumänisches Gebiet geraten. Plötzlich Polizei: unerlaubter Grenzübertritt, so der Vorwurf. Auf dem Boot der Wasserschutzpolizei ging es ins Städtchen Orshova, Stahls Kahn wurde abgeschleppt. Verhöre samt Dolmetscher folgten, „die haben alles handschriftlich gemacht, das hat gedauert“, seufzt der 68-Jährige. Am nächsten Tag durfte er doch weiterfahren, stand aber von nun an unter Beobachtung. „Jede Nacht wurde ich in meinem Zelt mehrfach kontrolliert, jeweils von den gleichen Polizisten, die immer wieder den Pass sehen wollten.“ An einen geruhsamen Schlaf war nicht zu denken. Was Stahl bis heute bedrückt, sind die Schicksale zweier Kapitäne im rumänischen Ort Calafat. Denn der eine wies ihm auf dem Schiff des anderen einen Schlafplatz zu, die „Moro“ wurde am Schiff vertäut. „Am nächsten Morgen gab es große Schreierei“, berichtet Stahl. Und: „Die beiden wurden auf der Stelle entlassen“ – weil sie ihn aufgenommen hatten, meint er. „Das werde ich nie vergessen.“ Dass der Weitergereiste von zwei Männern überfallen wurde, die die Batterie aus seinem Boot stahlen, dass sein Zelt zerschnitten und er später auch noch von einem Hund ins Bein gebissen wurde, erzählt er schon fast nebenbei. In Cernavoda, nahe des Schwarzen Meers, endete die Bootsreise dann sehr abrupt. Als Stahl der Wasserschutzpolizei dort wie gefordert die Dokumente zeigte, die belegten, dass sein Boot für die gesamte Donau zugelassen ist, wurde ihm kurzerhand erklärt, dass es seit zwei Tagen ein neues Gesetz gebe. Die Zulassung sei ungültig. Die „Moro“ wurde konfisziert, Stahl blieb nur, sein Gepäck auszuräumen. Dass Europa-Schilder und „Herzlich willkommen“-Transparente nicht überall wirklich ernst gemeint sind, weiß Uli Stahl spätestens seit diesen Erfahrungen. Doch trotz schikanierender Behördenvertreter und Willkür ist sein Fazit positiv: „Ich würde es wieder so machen. Es gibt viele schöne Erlebnisse, die kann einem keiner nehmen.“ Daheim in Altrip wurde es seiner Frau Monika schon das eine oder andere Mal ganz anders. Zweimal täglich hat ihr Mann sich von unterwegs gemeldet, sie war immer auf dem Laufenden. „Vorher hatte ich keine Angst um ihn, aber dann schon ...“ Künftig wird Uli Stahl mit seiner Frau verreisen, wie er das bisher schon zwischen seinen Abenteuerreisen getan hat. Das Baltikum ist das nächste größere Ziel, verraten die beiden. Außerdem kümmert sich das Ehepaar um neun syrische Flüchtlinge im Ort. Und Uli Stahl wird sich wieder verstärkt um seine elektrische Eisenbahnanlage kümmern. Langweilig wird’s nicht.

Uli Stahl, Kahn, Reise, Donau
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