Donnersbergkreis Konzertanter Meilenstein

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KIRCHHEIMBOLANDEN. Die grandiose Aufführung des Requiems von Antonín Dvorák am Samstag in der Paulskirche war ein konzertanter Meilenstein in der Chronik des 1992 gegründeten Nordpfälzer Oratorienchors (der der Kreismusikschule Donnersbergkreis angeschlossen ist). Dabei bildete die dichtbesetzte Paulskirche mit dem fächerförmig ausgebreiteten Orchester der Kammerphilharmonie Europa (Köln) vor dem stattlichen Oratorienchor das für den künstlerischen Leiter Stefan Wasser inspirierende Fluidum und die tragende, zwar hallende aber niemals verzerrende Akustik.

Von dem in Bad Kreuznach wirkenden Schulmusiker Stefan Wasser ist hinlänglich bekannt, wie er Klangkörper nicht nur verschmelzen, sondern zu einer klanglichen wie interpretatorischen Einheit führen kann: Auf seinen akkuraten und stets fordernden Schlag folgten Chor und Orchester adäquat für Wassers fundierte Werkvorstellungen. Dabei entfesselt Wasser nicht nur klangliche Energien, baut sie vielmehr zu Phrasierungs- und Spannungsbögen auf. Er entdeckt hier auch neben gestalterischer Intensität und Expressivität den lyrischen Rückzug in die Innerlichkeit des Werks: In eine subtile Klangwelt der stillen Andacht, der kontemplativen Versenkung. Und dies in kammermusikalischen pastosen Klangfarben. Diese Sensibilität und der immense Reichtum an musikalischen Kontrasten zwischen schwelgerischem, emphatischem Chorjubel und symphonischer Klangpracht und wieder zurückgenommen auf solche schon fast beklemmende Zartheit machte den Reiz der Komposition und werk- sowie stilgerechten Interpretation aus. Dieses Mal intendierte Wasser nicht vordergründige eruptive Gewalt, sozusagen Ausdruck mit der Brechstange, sondern hatte den Seismographen eingesetzt, um alle Finessen zu entdecken. Wassers Stil hatte dabei zwar nicht an Monumentalität verloren, aber an Nuancen, an Durchsichtigkeit und Klarheit enorm gewonnen. Pathetische dynamische Steigerungen wirkten dennoch kontrolliert, nicht abrupt und explosionsartig, sondern als Teil eines großen übergreifenden Spannungsbogens, der alles zusammenhielt. Dabei hatte er die Choristen bestens in der Diktion, Deklamation und Akzentuierung des Chorparts vorbereitet. Und der Orchesterpart war bei dem sehr einfühlsam agierenden Orchester in allerbesten Händen. Dieses ist der klingende Beweis, wie ohne feste Trägerschaft ein ambitionierter Klangkörper mit Musikern aus derzeit 18 Nationen zu einer Einheit zusammenwachsen kann. Das so zusammengestellte Orchester konnte Wasser zu einer sensiblen, auf die Textstellen reagierenden und mit den Vokalisten atmenden Interpretation einschwören. Beide Klangkörper des klanglichen Dreigestirns (neben dem Solisten-Quartett) ließen keinerlei Schwachstellen und Ausfälle erkennen. So wirkte die Aufführung insgesamt in ihrer künstlerischen Qualität sehr geschlossen, ausgeglichen und ausgewogen. Insgesamt künstlerisch gereift und homogen. Auch bei der Auswahl und Zusammenstellung des vokalistischen Solisten-Quartetts hatte Wasser eine glückliche Hand: Sie entsprachen stimmlich und darstellerisch genau den aus dem Textstellen abgeleiteten Klangidealen: Die Sopranistin Gunda Baumgärtner überzeugte durch die Bravour und Eindringlichkeit ihrer Charakterisierung, ihre emphatische - manchmal etwas opernhafte - Ausdruckskraft. Die Altistin Cornelia Lanz ist eine sich nahtlos einfügende Sängerin, die mit ihrem besonderen samtenen Timbre und ihrer gesangstechnischen Geschmeidigkeit in jedes Ensemble vorzüglich passt. Vielen Kantoren und Dirigenten gilt die Position des Tenor-Solisten als am heikelsten und entsprechend schwer zu besetzen: Der mit hoher Textverständlichkeit, natürlicher Klarheit und Reinheit aufwartende Thomas Jakobs – der Neustadter war der einzige Pfälzer im Ensemble – war dagegen eine Idealbesetzung und verfiel nie in eine falsettierende Kopfstimme, sondern setzte auf Natürlichkeit der Stimmführung und präzise Artikulation. Der aus China stammende Bass-Bariton Chao Deng ist zwar ein voluminös aussingender Solist, der aber trotz seiner fülligen Stimme sehr beweglich und elegant wirkt. Ausgestattet mit einer gleichsam schwebenden Leichtigkeit und Sicherheit sowie Lockerheit der Stimmansprache, was selbst im professionellen Bereich Seltenheitswert hat. In der Summe des harmonischen Zusammenwirkens aller Kräfte war aber die vermittelte Emotionalität, die Wasser in der sehr anspruchsvollen Partitur entdeckte, das Hauptmerkmal seiner exemplarischen Einstudierung. Professionelle Kräfte zusammen mit engagierten Laien – das ergibt oft einen Dissens zwischen erstarrter Routine und absolvierter Pflichtübung einerseits und Enthusiasmus auf der anderen Seite. Davon war bei dieser auf allen Positionen beseelten und klanglich gut ausbalancierten Aufführung aber nichts zu spüren. Stattdessen spürte man die große innere Anteilnahme an dem bisweilen dramatischen Geschehen zwischen Lobgesang, Wehklagen, Zagen und Zorn mit Untergangsstimmung wie etwa die die Textstellen im „Dies irae“ zeigten.

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