Kaiserslautern Wer wird gelb vor Neid?

Staatstragend: Marina Tamassy als Kanzlerin Merkel.
Staatstragend: Marina Tamassy als Kanzlerin Merkel.

Die Sonderveranstaltung der Kabarettistengarde Die Untiere mit dem Thema „Mutti sieht rot – The Final Countdown“ spielte am Mittwoch im dicht besetzten Edith-Stein-Haus mit der Erwartungshaltung des erst gespannten und dann am Ende entspannten Publikums: Man verließ das Fahrwasser des gewohnten, inzwischen fast schon ritualisierten Ablaufs, nahm zudem geschickt mit den aufwändigen Kurzfilmeinspielungen den Produzenten und Regisseur Karl-Heinz Christmann mit ins Boot und verfolgte als metaphorische Klammer für beide Teile den Begriff „Farbenspiele“.

Mischt sonst „Mutti Merkel“ eher mit, so änderte die Programmdramaturgie jetzt diese Marschroute und fand eine neue, der Wahlkampfsatire angepasste Alliteration: Angela als Attraktion des Abends. Daher war die schlüssig aufgebaute Veranstaltung auch auf Marina Tamassy in ihrer Paraderolle als Kanzlerin sowohl szenisch, schauspielerisch, choreographisch als auch stimmlich zugeschnitten. Eine Hauptrolle, die Tamassy restlos begeisternd in Filmausschnitten, Sketchen, Dialogen und Monologen im ganz großen Stil ausfüllte. Neben dieser Umstellung des Programms und der Ergänzung des Teams durch Clara Künzel als Unschuldslamm und Jungwählerin in gespielter kindlich-naiver, aber schlitzohriger Art und mit sehr schöner und reiner Gesangsstimme sowie den genannten Filmemacher brachte das bislang mit zum Besten der Untiere gehörende Programm vor allem Farbenspiele ins Rollen: „Mutti“ sieht, rot, manchem ist sie nicht grün, und als Botschafter „blau-weißer Geschichten“ kam Philip Tulius als bajuwarisch grantelnder Seehofer-Parodist auf die Bühne. Später mimte er bärenstark den „Finanzminischder“ Schäuble, skandierte – begeistert von sich selbst – den Kultsong „Highway to Null“ mit neuem Text: auf dem Weg zur schwarzen Null. Wären nun noch graue oder rosarote Panther erschienen, hätten die Untiere das ganze Farbspektrum politischer Landschaft gestreift. Das Programm hatte zunächst einen ungewöhnlich raffinierten Einstieg: Marschall nutzte wiederholt den Opelkreisel als Steilvorlage für kabarettistische Auswüchse. Was hat dieser nun mit Wahlkampf zu tun? Nun, er nennt ihn ein Epizentrum, ein Punkt des Kieferschen (Baudezernent) Entschleunigungsprozesses zur Verkehrsberuhigung. Und diese diene der geschärften Wahrnehmung – so der Wahlkampfplakate. Marschall fand weiter Zitate von Philosophen wie Ludwig Wittgenstein, die eine innere Logik haben. Wobei das Ober-Untier Grundsätze der wissenschaftlichen Logik auf die hiesige Kommunalpolitik übertrug. Paradoxon, Antinomie oder Analogie? Ist die Merkel-Ära eine Erfolgsgeschichte oder durchzogen von Pleiten, Pech und Pannen? Im Filmausschnitt jedenfalls schrammte Merkel-Double Tamassy in täuschender Ähnlichkeit mit dem Helikopter haarscharf an der Katastrophe vorbei. Und Keyboarder David Punstein – inzwischen zum musikalischen Kopf aufgestiegen, der die Fäden spinnt – stimmte doch glatt die falsche Nationalhymne an. So weit, so geplant. Doch auch das Kunstgriff-Team wollte sich offenbar diesem Trend nicht verschließen. Ein Schelm allerdings, wer nun hinter den videotechnischen Pannen mehr vermutete und beim Veranstalter – um in der Metapher zu bleiben – allmählich an die Rote Karte denkt. Professionell geht jedenfalls anders. Marschall brachte aber auch weitere Metaphern an diesem genialen Abend: Am Sonntag sei ein Kreuz gefragt, aber kein Rückgrat. Und als Merkel – dank Kunstgriff oder als Regieeinfall? – verspätet eintraf, konterte Marschall schlagfertig „Die Kanzlerin hängt noch in der Luft.“ Und als sie schließlich doch noch eintrudelte, hielt Marschall ihr die Kosten für solche Flugeinsätze vor, was sie mit der gewohnten Raute in stoischer Ruhe „aussaß“. Apropos „aussitzen“: Da war doch noch einer, richtig, Alt-Kanzler Kohl. Wie bekommt man den verstorbenen Altkanzler und Ziehvater Merkels noch glaubhaft auf die Bühne? Das Team heckte einen genialen Plan aus, den man in Anspielung auf das Grimm-Märchen mit dem sprechenden Spieglein an der Wand umsetzte. Christmann fand hier täuschend echte, gespenstisch anmutende filmische Lösungen mit Kohl als Mahnmal für Merkel und für Seehofer. Großartig! Wer wird da gelb vor Neid?

Bayerisch grantelnd: Philipp Tulius als Landesvater Seehofer.
Bayerisch grantelnd: Philipp Tulius als Landesvater Seehofer.
Schlitzohrig: Clara Künzel als Erstwählerin.
Schlitzohrig: Clara Künzel als Erstwählerin.
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