Kaiserslautern Stücke von Herzen und Landschaften im Dunklen

Die stilistische Vielfalt trotz der Konzentration auf die Oboenfamilie und deren Solokompositionen zeigte auch das letzte der diesjährigen Treppenhauskonzerte. Wobei Holger Haase gestern zum Ausklang der Reihe zu den beiden Telemann-Fantasien weitere zeitgenössische Solowerke präsentierte, die ihm besonders am Herzen liegen.

Selbst die Folge von sechs Solo-Fantasien von Telemann demonstriert eine Vielfalt mit unterschiedlichen Akzenten und Impulsen: So setzt die fünfte Fantasie mit je zwei Presto- und Allegro-Sätzen mehr auf spielerische Brillanz als die nachfolgende sechste, die mehr den ariosen Geist von barocken Opern und Oratorien zelebriert und in einem beseelten Spirituoso ausklingt. Dagegen verlangte die fünfte Holger Haase alles an griff- und atemtechnischen Fähigkeiten ab, forderte den Interpreten mit kraftraubenden Passagen heraus, was Haase mühelos bewältigte. Vielleicht waren dann nach dem tänzerisch inspirierten, grazilen Allegro der sechsten Fantasie die umrahmenden lyrischen Sätze zu romantisch inspiriert, denn sie hatten romantische Tongebung hinsichtlich Vibrato und klanglicher Opulenz. Bei den wieder als programmatischer Kontrast eingebauten zeitgenössischen Solowerken des 20. und 21. Jahrhunderts erschloss sich nur das erste, von Javier Pérez Garrido. Der spanische Komponist hat mit seinen „Tres Piezas“ für Oboe d’amore solo sehr ansprechende, elegische Kantilenen, deren virtuos-geschmeidige Umspielungen, kadenzartige Passagen und raffinierte Frage-Antwort-Spiele verarbeitet. Vor allem letztere mit dem Verlagern von verschiedenen, scheinbar dialogisierenden Motiven auf verschiedene Register verlangen ein Höchstmaß an Ansatzsicherheit, Konzentration und Präzision. Dazu kamen sich sukzessiv steigernde Sequenzen, die sich unaufhörlich durch Haases spielerische Spannung. Das war eine der imponierendsten Leistungen des diesjährigen Konzertzyklus’. Dagegen bleibt Richard Felcianos Solowerk „Dark Landscape“ (Dunkle Landschaft) beim erstmaligen Einhören auch im Dunkeln: Es steht in der Tradition jener Kompositionsphase, die meist Töne ohne erkennbaren melodischen Charakter, rhythmischen Impuls oder harmonische Beziehung lose kombiniert. Das Stück wirkte trotz Haases redlichen Bemühungen um Charakteristik zerklüfteter, entfernte sich mehr von dem barocken Erbe hinsichtlich Tonalität, Harmonik und Akzentsufentakt, als mit diesen Parametern zu arbeiten. Zudem setzt der Komponist experimentellen Tonerzeugungen wie beispielsweise Flatterzunge ein. Die meisten der bislang aufgeführten Solowerke verdanken ihre Entstehung der Bekanntschaft des jeweiligen Komponisten mit herausragenden Musikerpersönlichkeiten: In diesem letzten Fall war die Englischhornistin Julie Ann Giacobassi des San Francisco Symphony Orchestra inspirierend. Für Haase stellte sich die interpretatorische Herausforderung durch die unterschiedlichen Stärken und aufführungspraktischen Schwerpunkte seiner Kollegen, für die die Werke „maßgeschneidert“ wurden. Kompliment: Er wurde allen Werken individuell tonlich, spielerisch und in durchdachter Gestaltung gerecht.

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