Kreis Kaiserslautern Multikulti lässt Kirche jubeln

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So leicht kann Musik klingen, so leicht Integration gelingen. Noch lange nach dem Benefizkonzert unterhielten sich Besucher in der gut gefüllten protestantischen Kirche in Miesau mit den Mitwirkenden der multikulturellen Flüchtlingsband Shaian. Jeden Beitrag hatte das Publikum zuvor mit Beifall quittiert. Stehend spendeten die Zuhörer am Ende der Veranstaltung zugunsten von Orgelwartung und diakonischer Dienste Applaus.

Mit neun von üblicherweise 15 Mitgliedern nahm Shaian das Publikum mit auf eine eineinhalbstündige Kulturreise. „Es gibt eine Sprache, die alle Menschen verstehen – Musik!“, beschrieb Pfarrer Andreas Rummel vom einladenden Orgelbauverein seine Eindrücke. Gänsehausgefühl bekomme er, wenn er sehe, wie problemlos Christen und Muslime sich in der Band verstehen. Rummel hatte die Gruppe um die Initiatoren Michael Halberstadt und Dagmar Kern als persönlicher Referent des Kirchenpräsidenten bei dessen Empfang kennengelernt und gleich verpflichtet. In aller Munde ist das Projekt, das seit Januar 2016 Menschen aus 15 Nationen zusammenführt und gemeinsam agieren lässt. Dafür hat es den Ehrenamts-Sonderpreis der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erhalten. Ein wildes Gemisch aus Folk und Pop hatte Michael Halberstadt versprochen – und machte Kirche damit zum Erlebnis. Mit einem Pop-Song aus den Vereinigten Staaten begann die Show. Ein Liebeslied aus Indonesien – Cintaku – setzte die Gesangsdarbietung fort. Eindrucksvoll und sicher sang es die junge Vina Gusti Aprilla, Studentin des Wirtschafts- und Ingenieurwesens in Mannheim. Die Indonesierin drückte später auch „Rolling in the deep“ von Pop-Ikone Adele einen flammenden Stempel auf. Soulig und höhensicher setzte sie ihre Stimme ein, begleitet von einem einfühlsam agierenden Backgroundchor. Verträumt, mit Wehmut und doch lieblich, trug der Syrer Ahmad Walhoud ein Liebeslied aus seiner Heimat vor. Die Gitarre dazu spielte er gleich selbst. Mit sich verflüchtigenden Tönen und einem herzlichen „Dankeschön“ endete der Vortrag. Von rhythmischen Wechselschlägen, Akkustikgitarre und Handtrommeln begleitet wurde sein nächstes Lied. Vor einem Jahr aus Damaskus mit einem Boot voller Menschen geflüchtet, hat der ehemalige Musikstudent in Freinsheim eine neue Heimat gefunden. Geschichten wie diese ließ Mitsängerin Dagmar Kern einfließen. Sie erklärten den authentischen Charakter, der letztlich Quelle jedes der Stücke ist. Kräftig und dynamisch, mit einem Rhythmus, dem sich niemand entziehen konnte, heizte die indonesische Sängerin Fina Ghasanni, Studentin in Trier, die Stimmung an. Dass europäische und arabische Einflüsse eng beieinander liegen, verdeutlichte ein Rap des Teheraners Sam Rezzai. Mit verdrehter Baseball-Mütze, schnellen Bewegungen und rasantem Sprechgesang, freilich in der Landessprache, waren Unterschiede zwischen Ost und West kaum mehr auszumachen. Rezzai, ein Christ, floh vor eineinhalb Jahren aus Iran; mit all seinen Dokumenten auf nur einem USB-Stick. Die metallisch klingende Dambura stellte Tofan Khaleo aus Afghanistan vor. Als Friseur hat er in Kaiserslautern eine Stelle gefunden. Sein traditionelles Saiteninstrument, vom Onkel gebaut, hat er sich vor einem Monat schicken lassen. Jetzt spare er für ein größeres, sagt er. Eindringlich und aufrüttelnd interpretierte Shaian John Lennons Friedensappell „Imagine“. Musik ging ins Blut, als sich ein aus Kabul stammendes Mädchen spontan erhob und zu den Klängen von Damburspieler Tofan tanzte. „Money, Money“ fand ebenso seinen Raum wie deutsche Volkslieder. Im zeitgemäßen Arrangement, mit gitarristischer Soloeinlage, erklang das „Heute hier, morgen dort“ des Gesellschaftsbarden Hannes Wader. Freiheitsliebend wie zu Zeiten der Entstehung und jeglichen Romantikstaubs enthoben waren „Die Gedanken sind frei“. Die Zugabe war ausdrücklich zwei nach Eritrea ausgeflogenen Bandmitgliedern gewidmet. Auch so funktioniert Verständnis. |jst

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