Kaiserslautern Im Würgegriff der ADD

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Die Kommunen in Rheinland-Pfalz befinden sich in einem Dilemma. Ihre Haushaltslage ist zum Teil so prekär, dass sie von der Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde (ADD) in Trier dazu gezwungen werden, an den sogenannten freiwilligen Aufgaben zu sparen. Zu diesen zählen aber auch alle Ausgaben für die Kultur. Nun haben die Städte Trier, Kaiserslautern und Ludwigshafen eine Initiative gestartet, die dazu führen soll, dass die kulturelle Grundversorgung in den Städten auch künftig gesichert ist.

Kultur kostet Geld. Ohne die Zuschüsse des Landes und der Kommunen sind beispielsweise die Theater in Koblenz, Trier, Mainz und Kaiserslautern nicht zu finanzieren, auch dann nicht, wenn man die Eintrittspreise verzehnfachen würde. Was ja wiederum zur Folge hätte, dass ein Großteil der Bevölkerung von der Kultur ausgeschlossen wäre, weil er sie sich schlichtweg nicht mehr leisten könnte. Aber kann sich die Gesellschaft, kann sich das Land Rheinland-Pfalz oder können sich eben auch die Städte Kaiserslautern und Ludwigshafen Kultur noch leisten? Will man sie sich leisten? Von der Politik kommen – noch – eindeutige Signale: Ja. Noch gibt es dieses Bekenntnis zu einer einzigartigen Theater- und Orchesterlandschaft, um die uns die ganze Welt beneidet. Noch kann man in Kaiserslautern die Angebote des Pfalztheaters in den Sparten Tanz, Schauspiel und Oper wahrnehmen, in Ludwigshafen hochkarätige Theater- und Ballettgastspiele erleben, ohne nach Saarbrücken, Mainz oder Mannheim fahren zu müssen. Purer Luxus. So sieht es zumindest der Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz. Deutlich wurde das in dem unwürdigen Schauspiel, das sich gerade in Trier abspielt. Dort schreibt das Theater seit Jahren rote Zahlen, zuletzt waren dies 2,6 Millionen Euro. Hinzu kommt mit Karl Sibelius ein Intendant, der von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpert und zudem mit der kaufmännischen Leitung, die er zunächst zusätzlich übernommen hatte, völlig überfordert war. Da fällt dann der Streit mit einem zunächst entlassenen, dann wieder eingestellten, zwischenzeitlich abgefundenen – wobei die vom Intendanten angebotene Abfindung von der Stadt gleich wieder zurückgenommen wurde – Schauspieldirektor kaum noch ins Gewicht. Sicherlich chaotische Zustände, die dringend nach einer Lösung verlangen. Für den Steuerzahlerbund Rheinland-Pfalz zudem ein gefundenes Fressen: „Es wäre an der Zeit, das Theater endlich abzuwickeln.“ Den Trierern wird dann noch zynisch empfohlen, mit einem Bus-Shuttle nach Luxemburg ins dortige Theater zu pendeln. Doch der Steuerzahlerbund steht mit dieser Position nicht alleine da. Es hat sich eine Art unheilige Allianz gebildet, welche die kulturellen Institutionen in diesem Land vehement in Frage stellt. Bündnispartner des Steuerzahlerbundes ist eine staatliche Aufsichtsstelle: die Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde (ADD) in Trier. Die hat sich in der jüngeren Vergangenheit von dem für sie eigentlich zuständigen Mainzer Innenministerium emanzipiert und betreibt indirekt Kulturpolitik im Land, indem sie verschuldete Kommunen wie Kaiserslautern und Ludwigshafen dazu zwingt, alle Ausgaben für die sogenannten freiwilligen Aufgaben in einen Topf zu werfen, der noch dazu gedeckelt wird. Die Folgen davon sind fatal. Zum einen droht eine Kannibalisierung zwischen den Etats von Volkshochschulen, Bibliotheken, Schwimmbädern und Theatern. Noch schlimmer aber ist, dass ein gedeckelter Etat irgendwann nurmehr noch die Personalkosten auffangen kann – wenn überhaupt. Von einer gestaltenden Kulturpolitik kann dann natürlich keine Rede mehr sein. Das haben auch die betroffenen Städte erkannt und deshalb einen, wörtlich, „Brandbrief“ an den rheinland-pfälzischen Kulturminister Konrad Wolf verfasst, welcher der RHEINPFALZ vorliegt. Unterzeichnet ist das Schreiben von der Ludwigshafener Kulturdezernentin Cornelia Reifenberg (CDU) und ihrer Kaiserslauterer Kollegin Susanne Wimmer-Leonhardt (CDU). Für die Stadt Trier hat pikanterweise nicht der Kulturbürgermeister Thomas Egger (SPD), sondern die Sozialdezernentin Angelika Birk (Grüne) unterschrieben, was auch ein Bild auf die Situation in der Stadt wirft. Das Anliegen der drei Städte liegt auf der Hand: Sie wollen sich aus dem Würgegriff der ADD befreien, um als Kommune handlungsfähig zu bleiben, wenn es um die Ausgestaltung des kulturellen Angebots geht. „Die unterzeichnenden Städte fordern deshalb, dass die Stigmatisierung der kulturellen Aufgaben als ,freiwillig’ nicht weiter dazu führen darf, dass diese Aufgaben von der ADD als erste und wichtigste Sparprojekte verstanden werden.“ Vorbild könnte das Sächsische Kulturraumgesetz von 1994 sein, das die kommunale Kulturpflege als Pflichtaufgabe deklariert. Die drei Städte fordern jedenfalls ein grundsätzliches Überdenken der finanziellen Rahmenbedingungen kommunaler Kulturangebote. Andernfalls sehe man „die zufriedenstellende Erledigung der Aufgaben der kulturellen Grundversorgung (zu mehr als zu einer Grundversorgung sind die Städte des Landes schon lange nicht mehr in der Lage) auf das Äußerste gefährdet.“ Ob dies im Ministerium ebenso gesehen wird, muss vorerst offen bleiben. Eine Anfrage der RHEINPFALZ blieb gestern unbeantwortet.

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