Kreis Kaiserslautern Abhörgerät im Kopf

Vor ihr ist keine noch so vorsichtige Maus sicher: Schleiereulen haben ein „hörendes Gesicht“, hinter dem herzförmigen Schleier
Vor ihr ist keine noch so vorsichtige Maus sicher: Schleiereulen haben ein »hörendes Gesicht«, hinter dem herzförmigen Schleier verbirgt sich eine nach innen versetzte große Ohrmuschel, der nichts entgeht.

Sie hat helle Federn, ein wahrlich herziges Gesicht und ist fast überall auf der Erde anzutreffen: In Mitteleuropa gilt die Schleiereule (Tyto alba) als Kulturfolgerin, weil sie recht eng an den Menschen herangerückt ist. Auch im halboffenen nördlichen und westlichen Landkreis Kaiserslautern lebt diese Eulenart mit den auffallend dünn befederten Beinen und diesem herrlichen Gesichtsschleier.

„Es gibt jedes Jahr aus verschiedenen Orten Meldungen von brütenden Schleiereulen“, berichtet Vogelkundler Peter Ramachers, dass der Bestand landkreisweit auf jährlich zehn bis 20 Brutpaare geschätzt wird. „Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass durchaus in jedem Dorf mindestens ein Schleiereulen-Paar leben könnte.“ Bis vor einigen Jahrzehnten fand die Eule durch die hiesige Landwirtschaft ideale Lebensbedingungen vor. In einer offenen, reich strukturierten dörflichen Kulturlandschaft gab es Mäuse satt. Der Eulentisch war gedeckt. In Scheunen, Pferdeställen, Gehöften, Dachböden oder Kirchtürmen fand der Vogel Tagesruhe- und Brutplätze. Im Winter boten die Mäuse in Scheunen und Getreidespeichern Nahrung und sicherten bei hohem Schnee das Überleben. Doch dann kamen die Veränderungen einer intensivierten Landwirtschaft: Extensiv genutztes Grünland wurde zu Ackerland, hinzu kam der großflächige Raps- und Maisanbau, verstärkter Pestizideinsatz und Mäusevergiftungsaktionen. Die Anzahl der Kleinsäuger ging zurück – und damit auch das Nahrungsangebot für die Schleiereule. In guten Mäusejahren kann ein Paar durchaus zwei Bruten aufziehen. Fehlt jedoch Nahrung, wird gar nicht erst gebrütet. Die Folge: Ist das Nahrungsangebot dauerhaft gering, verschwindet irgendwann auch die Schleiereule. Hinzu kommt die Wohnungsnot: „Seit vielen Jahren werden zur Wärmedämmung die Gebäude immer mehr versiegelt“, sagt Ramachers. Daher werde es für die Schleiereule schwierig, im Inneren von Dachböden oder Scheunen geeignete Höhlen für den Tagesruheplatz oder das Brutgeschäft zu finden. Nach und nach seien auch in fast allen Kirchen Einflugöffnungen verschlossen wurden, um Tauben auszusperren. Ausgesperrt wurde damit aber auch die Eule, bedauert der Avifaunist. „Zumindest der Wohnungsnot kann man als Natur- und Artenschützer entgegenwirken“, betont Ramachers und verweist auf selbst gezimmerte Brutkästen, die im Dachinneren von Gebäuden angebracht gerne von den Schleiereulen angenommen würden. Auch verschlossene Kirchtürme wieder zu öffnen und dort Nistkästen aufzuhängen, diene dem Schutz dieser Eulenart. „Ob sie nun im Eulenloch am Hausgiebel oder im Brutkasten verschwindet – ihr ist es am Ende egal, wo sie Schutz für sich und die Brut findet.“ Wer sich nicht sicher ist, ob er in der Scheune eine Schleiereule beherbergt, sollte nach wurstartigem, schwärzlichem Gewölle am Boden Ausschau halten, gibt Ramachers einen Tipp. „Unüberhörbar sind die schrill bis rauschend-schnarchenden, oft unheimlich wirkenden Kreischrufe. In Abwehrsituationen ist Fauchen und Schnabelknappen zu hören.“ Sich als Mensch an den Vogel anzuschleichen, ist übrigens zwecklos. Die Schleiereule hat ein fantastisches Gehör. Ihr herzförmiger Kopf ist ein einziges Abhörgerät. Hinter dem weißen Schleier verbirgt sich eine nach innen versetzte große Ohrmuschel. Der Schleier leitet den Schall wie ein Trichter ans Ohr. So entgeht dieser Eule kein Mäuserascheln. Die Nager haben keine Chance: Mit schallgedämpften Federn schwebt die Schleiereule im Schutz der Dunkelheit heran, um zielsicher mit messerscharfen Krallen zuzufassen.

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