Sport Frust und blank liegende Nerven

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Mannheim. Am späten Abend des Welttages der Poesie kam das bittere Ende ganz prosaisch. Scheibenverlust im Spielaufbau, langer Pass, Konter, schneller Abschluss. Der Berliner Charles Linglet tat in der 70. Minute das, worauf die Eisbären seit Beginn der Verlängerung gewartet hatten: den sich abzeichnenden entscheidenden Fehler der Adler Mannheim humorlos zum 2:1-Siegtreffer im siebten Viertelfinale nutzen.

Das Tor, das den Titelkandidaten in den frühen Sommerurlaub schickte, stand sinnbildlich für die Effizienz des in den Play-offs hier und da an alte Glanzzeiten erinnernden Eishockey-Rekordmeisters. Mit Beginn der Overtime hatten die Eisbären wenig Interesse am Spielaufbau. Scheibe raus aus dem eigenen Drittel und mal abwarten, was die dienstbeflissenen Adler in ihrem spürbaren Willen, die Entscheidung zu ihrem Gunsten aktiv zu suchen, noch so anstellen. Dass sie Fehler machen würden, das durften die Berliner nach den rasanten 60 Minuten zuvor erwarten. „Wir wussten, dass wir gut in der Defensive stehen und gute Konter fahren müssen“, sagte Trainer Uwe Krupp. Beides gelang, trotz zahlreicher Chancen der Adler, die aber auch viermal am brillanten Unterzahlspiel der Eisbären samt Torwart Petri Vehanen scheiterten. „Das tut unglaublich weh“, bekannte Mannheims Manager Teal Fowler. Diese Niederlage sei schmerzhafter als die Klatschen (3:6, 1:6) in Berlin. „Ohne Tor helfen dir die vielen Schüsse nichts“, wollte sich Klubchef Daniel Hopp vom Blick auf die Statistik nicht blenden lassen: „Den Abend zu verdauen, wird ein paar Tage dauern.“ Die blank liegenden Nerven bei Sean Simpson offenbarten sich in der mehr oder weniger ernst gemeinten Drohung vor laufender SWR-Kamera, den Reporter bei einer „dummen Frage“ k.o. und zu Boden zu schlagen. Dafür entschuldigte sich der zuletzt zunehmend launische Trainer gestern: „Es war meine überbordende Emotion, die mit mir durchgegangen ist.“ Die geschockten Spieler suchten auch kurz vor Mitternacht den Schutz der Kabine, nur Torwart Drew MacIntyre stellte sich profihaft. „Das ist sehr frustrierend. Ich werde heute Nacht sicherlich nicht schlafen“, ahnte der Kanadier. Er bestätigte, was viele dachten: dass die Adler trotz der Heimniederlage die Serie in den drei Auswärtspartien verloren haben. „Das war der Unterschied. Die Berliner hatten zu Hause alles im Griff.“ Simpson wollte dem Team „keinen Vorwurf machen“. Aber: „Wir hatten genügend Chancen.“ Dass die Adler mit einem Sieg im letzten Punktspiel gegen Straubing als Vorrundenerster den Eisbären aus dem Weg gegangen wären, bemerkte Teal Fowler als einziger von sich aus kurz. Daniel Hopp sagte dazu der RHEINPFALZ: „Natürlich hatten wir es da in der Hand. Aber es bringt nichts, jetzt stehen wir da wie begossene Pudel.“ Klar ist, dass angesichts des ausgereizten Ausländerkontingents mit Blick auf nächste Saison einige Importspieler gehen müssen. Mathieu Carle und der solide, aber auch verletzungsanfällige Aaron Johnson könnte es in der Verteidigung treffen. Der körperlich ausgezehrt wirkende Jamie Tardif gilt im Sturm als sicherer Abgang, Andrew Joudrey würden viele dank Unterzahlstärke und Aufopferungsbereitschaft gern noch ein Jahr in Mannheim sehen. Luke Adam, Thomas Larkin oder Drew MacIntyre könnte es in die KHL ziehen. Als neuer Torwart ist Iserlohns Chet Pickard, der einen deutschen Pass besitzt, im Gespräch. Gerüchte gibt es auch um Berlins Laurin Braun, den gebürtigen Lampertheimer – falls der am Dienstag gute Ronny Arendt (36) seine Karriere beenden sollte. Kommentar

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