Panorama Von der Streifenpolizistin zur Scotland-Yard-Chefin

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Cressida Dick ist die neue höchste Polizistin Großbritanniens und die erste Frau in dem Job

London. Die bekannteste Polizeitruppe der Welt bekommt erstmals in ihrer 188 Jahre langen Geschichte einen weiblichen Boss. Cressida Dick trat gestern ihren Dienst als „Chief Commissioner“ von Scotland Yard an. Gleich am ersten Arbeitstag hatte sie eine traurige Pflicht zu erfüllen. Mit 5000 Kolleginnen und Kollegen nahm sie an der Beerdigung des Polizisten Keith Palmer teil, der beim Terroranschlag im März erstochen wurde. Dicks Ernennung zur ranghöchsten Polizistin Großbritanniens wurde vom Londoner Bürgermeister Sadiq Khan als „historisch“ begrüßt. In der Tageszeitung „Times“ hieß es, Scotland Yard – oder „Metropolitan Police Service“, wie der offizielle Name lautet – bekomme eine Chefin, „deren Identität bestätigt, wie sehr sich das Land geändert hat“. Tatsächlich ist die Gefahrenabwehr in Großbritannien jetzt fest in weiblicher Hand: Mit Theresa May als Premierministerin, Amber Rudd als Innenministerin und Cressida Dick als Chefin des Dienstes, der kurz „Met“ genannt wird, kümmern sich drei Frauen um die Sicherheit im Königreich. Die Ernennung der 56-Jährigen stieß jedoch nicht auf ungeteilte Zustimmung. Cressida Dick war 2005 Einsatzleiterin, als „Met“-Polizisten den unschuldigen Jean Charles de Menezes mit sechs Kopfschüssen praktisch exekutierten. Die bisher schlimmste Panne in der Geschichte der Londoner Polizei geschah in einer Atmosphäre fiebriger Terrorangst: 15 Tage zuvor hatten vier Selbstmordbomber die Londoner U-Bahn angegriffen und 52 Menschen getötet. Zwei Wochen danach scheiterten vier Nachahmungstäter. In einem ihrer Rucksäcke fand man die Adresse eines der Täter. Menezes hatte das Pech, in dessen Mietskaserne zu leben. Der harmlose Elektriker wurde als verdächtiger Terrorist beschattet. Als er sich dem U-Bahnhof Stockwell näherte, griffen die neuen, scharfen Richtlinien für potenzielle Selbstmordattentäter: Er wurde mit einem gezielten Schuss getötet. Dick übernahm die Verantwortung für die Panne. Zwar wurde sie von persönlicher Schuld freigesprochen; Menezes’ Familie konnte das jedoch nie akzeptierten. Cressida Dick trat nach einem Studium in Oxford als 23-Jährige als Bobby in den Polizeidienst ein und machte schnell Karriere. Ein weiteres Studium der Kriminologie in Cambridge, das sie im Alter von 40 Jahren als Jahrgangsbeste abschloss, qualifizierte sie für die höchsten Polizeiränge. Sie übernahm 2011 bei Scotland Yard den Job der Terrorabwehr, bevor sie 2015 aufgrund persönlicher Differenzen mit dem damaligen „Met“-Chef Sir Bernard Hogan-Howe ins Außenministerium wechselte. Als Hogan-Howe seinen Rückzug ankündigte, war der Weg zurück frei. Ihr neuer Job ist eine große Herausforderung. Dick wird der mit 45.000 Mitarbeitern größten Polizeibehörde im Land vorstehen und ein Budget von drei Milliarden Pfund (3,5 Milliarden Euro) verwalten. Schon vor Dienstantritt reagierte sie auf die geplanten Haushaltskürzungen von 400.000 Pfund mit einem geschickten Schachzug: Sie gab bekannt, dass sie auf 40.000 Pfund ihre Gehalts verzichten werde. Das beträgt allerdings auch nach der Kürzung noch satte 230.000 Pfund pro Jahr.

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