Meere Ran an die Schätze der Tiefsee?

Darum geht es: Manganknollen aus der Tiefsee.
Darum geht es: Manganknollen aus der Tiefsee.

Die Welt hatte sich zwei Jahre Zeit gegeben, den Bergbau am Grund der Meere zu regulieren. Doch die Frist läuft ab. Ein Abbau wäre wohl gut für die E-Mobilität, aber schlecht für die Umwelt.

Es hat einfach zu lange gedauert. Die Vertreter der fast 200 Staaten dieser Welt haben sich in den vielen Detailfragen, die mit dem Abbau von Rohstoffen in Tausenden Metern Tiefe am Grund der Ozeane verbunden sind, zwei Jahre lang nicht einigen können. Die Folge: Nun können bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) mit Sitz auf Jamaika erstmals Anträge auf den Abbau von Rohstoffen am Boden internationaler Gewässer gestellt werden.

Deutschland und einige weitere Länder wollen, dass diese Anträge nicht genehmigt werden, bis mehr über die Umweltfolgen des kommerziellen Abbaus bekannt ist. Denn, so lautet ein gängiger Spruch: Die Menschen wissen mehr über den Mond als über die Tiefsee der Erde.

Endlich ran an die Vorräte

Andere Staaten hingegen wollen vorpreschen. Sie wollen endlich ran an die Erzvorräte, die da unten schlummern. Weil es kein international akzeptiertes Regelwerk gibt, ist nicht abzusehen, wie der Streit zwischen Befürwortern und Bremsern ausgehen wird. Ab Montag trifft sich der ISA-Rat erneut.

Bei den derzeitigen Abbauplänen geht es konkret um den Abbau von Manganknollen auf dem Meeresboden in 4000 bis 6000 Metern Tiefe. Sie entstehen über Millionen Jahre aus Ablagerungen, die nach unten schweben, und enthalten Rohstoffe wie Mangan, Kobalt, Kupfer und Nickel.

Mit Informationen versorgt

Für den kanadischen Konzern The Metals Company (TMC) sind Manganknollen „Batterien in einem Stein“ und der „sauberste Weg zu Elektrofahrzeugen“. TMC steht an vorderster Front beim Bemühen, die Schätze in der Tiefsee zu heben und für die Industrie nutzbar zu machen. TMC steht aber noch aus einem anderen Grund im Fokus des Interesses. Die Zeitung „New York Times“ berichtete kürzlich, die ISA – also die Behörde, die eigentlich überparteilich über den Meeresboden wachen soll – habe dem kanadischen Konzern durch die Weitergabe von Informationen bei dessen Vorhaben geholfen.

Mit TMC arbeitet offensichtlich der pazifische Inselstaat Nauru zusammen, der Ende Juni 2021 ankündigte, einen Antrag auf Tiefseebergbau zu stellen. Dies löste einer Klausel zufolge die Zweijahresfrist zum Erstellen eines internationalen Regelwerks aus. Die Hoffnung, die Nauru damit verbindet, ist offensichtlich: Man will vom Reichtum unter dem Meeresspiegel profitieren. Und nun, an diesem Sonntag läuft die selbstgesetzte Frist zum Aufstellen von Regeln aus.

Nicht nur Lärmgefahren

Das Nachsehen hätte dann wohl die Umwelt. Aus vielerlei Gründen. Studien haben dargelegt, dass sich beim Abbau von Rohstoffen Sedimentwolken bilden, die sich flächendeckend über den Meeresboden legen – und dort alles ersticken. Eine Studie der britischen Universität Exeter und von Greenpeace wies mögliche Gefahren für Wale durch Unterwasserlärm beim Tiefseebergbau nach. Forscher vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven berichteten, natürlich vorkommende Uranisotope in Manganknollen gäben beim Zerfall radioaktive Strahlen ab, die Gesundheitsrisiken bergen könnten. Auch was die Speicherung des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid in den Ozeanen angeht, sind viele Fragen offen.

Konzerne verpflichten sich

Umweltschützer verweisen auf Alternativen für bestimmte Rohstoffe. Nach Berichten des Öko-Instituts im Auftrag von Greenpeace und der Umweltstiftung WWF ist der Tiefseebergbau für die weltweit angestrebte Energie- und Verkehrswende nicht unbedingt nötig. Einige Konzerne wie BMW, Volkswagen, Google und Philips haben sich bereits einem WWF-Aufruf angeschlossen und sich verpflichtet, keine Rohstoffe vom Tiefseeboden zu verwenden und Tiefseebergbau nicht zu finanzieren.

Neben Deutschland haben sich unter anderem Frankreich, die Schweiz, Neuseeland und Chile für eine vorsorgliche Pause oder ein Verbot des Tiefseebergbaus ausgesprochen. Viele andere Länder haben sich jedoch nicht klar positioniert. Die USA machen bei der Meeresbodenbehörde gar nicht erst mit. Der Wirtschaftsgigant China wiederum hat signalisiert, auf Tiefseebergbau setzen zu wollen. Und Norwegens Regierung überlegt, eine Fläche von der Größe Italiens in den eigenen Gewässer zu nutzen, um so Rohstoffe für die Energiewende zu gewinnen.

Heiliger Ort

Indigene Aktivisten aus verschiedenen Ländern wiederum haben ganz andere Sorgen. Sie haben bei der ISA, der Meeresbodenbehörde, eine Petition eingereicht, mit der Forderung, den Tiefseebergbau schlichtweg zu verbieten. „Die Tiefsee ist unser heiliger Ort der Schöpfung“, betonten beispielsweise Ureinwohner aus Hawaii.

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