Libanon Detonation in Beirut: 250.000 Menschen obdachlos – Verantwortliche unter Hausarrest

Eine Satellitenaufnahme zeigt das Explosions-Areal; in der rechten oberen Mitte des Bilds ist der Krater zu sehen, der sich mit
Eine Satellitenaufnahme zeigt das Explosions-Areal; in der rechten oberen Mitte des Bilds ist der Krater zu sehen, der sich mit Meerwasser gefüllt hat. Das markante Silogebäude, das schwer deformiert stehen blieb, befindet sich links davon.

Bei der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut sind auch acht Deutsche verletzt worden. Das geht aus einem internen Lagebericht des Technischen Hilfswerks (THW) vom Mittwoch hervor. Einsatzkräfte des THW sollten am Abend zur Unterstützung der Deutschen Botschaft nach Beirut fliegen. Das Botschaftsgebäude war durch die Detonation beschädigt worden.

[Aktualisiert Mittwoch, 16.50 Uhr] Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministers Hassan Hamad kamen durch die Explosion am Dienstag mindestens 113 Menschen ums Leben, etwa 4000 weitere wurden verletzt. Viele Bewohner der Küstenstadt am Mittelmeer standen am Mittwoch unter Schock. Beiruts Gouverneur Marwan Abbud schätzt, dass bis zu 250.000 Einwohner ihre Wohnungen verloren haben.

Ausgelöst haben könnte die schwere Explosion eine sehr große Menge Ammoniumnitrat: Schätzungsweise 2750 Tonnen der gefährlichen Substanz seien jahrelang ohne Sicherheitsvorkehrungen im Hafen von Beirut gelagert worden, sagte Ministerpräsident Hassan Diab dem Präsidialamt zufolge. Hinweise auf einen Anschlag oder einen politischen Hintergrund gab es nicht.

Die Regierung will Verantwortliche des Beiruter Hafens unter Hausarrest stellen. Dabei handele es sich um Personen, die in den vergangenen Jahren für die Lagerung und Bewachung des Ammoniumnitrats zuständig gewesen seien, erklärte Informationsministerin Manal Abdel Samad am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung, wie die staatliche Nachrichtenagentur NNA meldete. Unklar war zunächst, wie viele Personen davon betroffen sind.

Die Regierung beschloss der Ministerin zufolge zudem einen zweiwöchigen Notstand für Beirut. Eine Untersuchungskommission solle dem Kabinett innerhalb von fünf Tagen einen ersten Bericht zu den Umständen der Detonation vorlegen, sagte Abdel Samad weiter.

Die Explosion stürzte die libanesische Hauptstadt, deren Bevölkerung derzeit schon unter einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise leidet, in noch tieferes Chaos. Durch die Erschütterung zerbarsten Fenster, Trümmerteile schlugen Löcher in Wände. Blutende Menschen wanderten durch Schutt und Staub, einige Straßen waren voller Glasscherben. Große Teile des Hafens wurden vollständig zerstört. Beirut, in dessen Großraum schätzungsweise bis zu 2,4 Millionen Menschen leben, wurde zur „Katastrophen-Stadt“ erklärt.

Die Druckwelle der Explosion in Beirut wurde auch auf der mehr als 200 Kilometer westlich von Libanon liegenden Mittelmeerinsel Zypern wahrgenommen. „Wir haben die Explosion gespürt und gehört“, sagte der Bürgermeister der zyprischen Hafenstadt Limassol, Nikos Nikolaides, dem griechischen Fernsehsender Skai am Mittwoch. Einige Menschen dachten, es sei ein Erdbeben gewesen. Andere erinnerten sich an eine schwere Munitionsexplosion, die 2011 in der Nähe der Hafenstadt Larnaka 13 Menschenleben forderte, sagte der Bürgermeister weiter. Laut einem Bericht von „Spiegel Online“ hat auch die Besatzung der Korvette „Ludwigshafen am Rhein“, die in Limassol vor Anker liegt, den Knall gehört.

Mehrere Zyprer hatten bereits am Vortag Kommentare in der Homepage des Europäischen Mittelmeerzentrums für Erdbeben (EMSC) eingetragen. Das Erdbebenzentrum hatte die Explosion als einen Erdstoß der Stärke 3,3 gemessen. „Es gab einen Krach und dann einen Druck nach unten“, schrieb ein Einwohner von Zyperns Hauptstadt Nikosia, die 242 Kilometer westlich von Beirut liegt.

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Ammoniumnitrat, das auch zur Herstellung von Sprengsätzen dient, kann bei höheren Temperaturen detonieren. Die Substanz dient zum Raketenantrieb und vor allem zur Herstellung von Düngemittel. Die farblosen Kristalle befanden sich auch in dem Gefahrgutlager der chinesischen Hafenstadt Tianjin, wo 2015 nach einer Serie von Explosionen 173 Menschen getötet wurden.

In Deutschland fällt die Handhabung von Ammoniumnitrat unter das Sprengstoffgesetz. Das erste große Unglück bei der BASF in Ludwigshafen, die Explosion der Stickstofffabrik am 21. September 1921, ging auf Ammoniumsulfatnitrat zurück, einen sehr ähnlichen Stoff. Das bisher größte Unglück der chemischen Industrie in Deutschland und die größte zivile Explosionskatastrophe hierzulande forderte 561 Todesopfer – 177 Aniliner und 384 Anwohner –, verletzte 2000 Menschen und legte große Teile der Ludwigshafener Stadtteile Oppau und Edigheim in Schutt und Asche.

Schiff mit gefährlicher Ladung

Der Stoff, der möglicherweise in Beirut explodiert ist, könnte von einem Frachtschiff stammen, dem libanesische Behörden laut Berichten im Jahr 2013 wegen verschiedener Mängel die Weiterfahrt untersagt hatten. Das Schiff war demnach von Georgien aus ins südafrikanische Mosambik unterwegs. Der Besatzung gingen dann Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff offenbar auf. Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schließlich die Ausreise genehmigt. Das Schiff blieb zurück mit der gefährlichen Ladung, die in einem Lagerhaus untergebracht wurde.

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Bei der Detonation hatte sich eine riesige Pilzwolke am Himmel gebildet. Eine Druckwelle breitete sich blitzschnell kreisförmig aus. Noch Kilometer weiter gab es Schäden. Beschädigt wurden der Regierungspalast, die finnische Botschaft und die Residenz von Ex-Ministerpräsident Saad Hariri. Am Suk Beirut, einer modernen Einkaufsgegend, zerbarsten Fensterscheiben. Auch ein Schiff der UN-Friedenstruppen im Libanon (Unifil) wurde beschädigt. Es seien Blauhelm-Marinesoldaten verletzt worden, teilte die Mission mit.

Präsident Michel Aoun rief für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein, um die Ursachen der Explosion zu klären. „Ich werde nicht ruhen, ehe ich den Verantwortlichen kenne und ihm die härteste Strafe gebe“, sagte Aoun laut Zitaten des Präsidialamts bei Twitter. Regierungschef Diab erklärte den Mittwoch zum Tag landesweiter Trauer in Gedenken an die Opfer. Für die Stadt wurde ein zwei Wochen langer Notstand verhängt.

Regierungen anderer Länder zeigten sich betroffen und stellten rasche Unterstützung in Aussicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich „erschüttert“, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer die Kanzlerin zitierte. Deutschland stehe dem Libanon in der „schweren Stunde zur Seite“, twitterte Außenminister Heiko Maas. Auch Mitarbeiter der Deutschen Botschaft seien unter den Verletzten.

EU, Frankreich und Israel bieten Hilfe an

Auch die Europäische Union und Frankreich - frühere Mandatsmacht des Libanon - stellten Hilfen in Aussicht. Über das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen der EU werden mehr als 100 Katastrophenhelfer in die libanesische Hauptstadt Beirut geschickt. Die Experten und Such- und Rettungsfachleute kämen aus den Niederlanden, Tschechien und Griechenland, sagte ein EU-Beamter am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Auch von anderen Länder werde noch Unterstützung erwartet.

Das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen der EU war bereits am Dienstagabend in Kontakt mit den libanesischen Katastrophenschutzbehörden getreten. „Die EU steht in diesen schwierigen Momenten an der Seite der Menschen in Beirut“, kommentierte der für das EU Krisenmanagement zuständige Kommissar Janez Lenarcic.

UN-Generalsekretär António Guterres reagierte bestürzt und drückte den Familien der Opfer sein „tiefstes Beileid“ aus. US-Präsident Donald Trump schien den Vorfall als Anschlag einzustufen: Seine „Generäle“ gingen von einer Art Bombe aus, sagte Trump im Weißen Haus. Die Explosion deute nicht auf einen Unfall hin, sagte Trump unter Berufung auf seine Militärberater.

Selbst Israel, das mit dem benachbarten Libanon keine diplomatischen Beziehungen pflegt, bot über ausländische Kanäle „medizinische humanitäre Hilfe“ an. Offiziell befinden sich beide Länder noch im Krieg. Spekulationen, dass Israel hinter der Explosion stecken könnte, räumte Außenminister Gabi Aschkenasi aus.

Das Silogebäude neben dem Krater am Mittwoch.
Das Silogebäude neben dem Krater am Mittwoch.
Umgeworfene Autos nach der Explosion.
Umgeworfene Autos nach der Explosion.
Zerstörte Häuser und Autos in beträchtlicher Entfernung vom Explosionsort.
Zerstörte Häuser und Autos in beträchtlicher Entfernung vom Explosionsort.
Menschen tragen einen Verwundeten nach der Explosion über die Straße.
Menschen tragen einen Verwundeten nach der Explosion über die Straße.
Die Szenerie um den Explosionsort.
Die Szenerie um den Explosionsort.
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