Interview Die Deutschen und die Briten: Unerwiderte Liebe

Am Samstagmittag ist es so weit: Charles III. wird gekrönt.
Am Samstagmittag ist es so weit: Charles III. wird gekrönt.

Allen Skandalen zum Trotz erfreut sich die britische Königsfamilie in Deutschland einer ungebrochenen Fangemeinde. Der Historiker Thomas Biskup über die merkwürdige Anglophilie der Deutschen – und warum sie auf so wenig Gegenliebe stößt.

Millionen Deutsche werden am Samstag die Krönung von Charles III. vor dem Fernseher verfolgen. Sind die Deutschen royalsbegeisterter als andere Länder?
Ja und Nein. Die britische Monarchie war nach Dauer und Prunk schon immer der „Goldstandard“ unter den Monarchien. Seit dem 19. Jahrhundert wird sie weltweit vermarktet. Aber es stimmt, in Deutschland ist das Interesse besonders groß. Das begann mit der jungen Elizabeth II.

Ist es die Sehnsucht nach einer Ersatzmonarchie mit deutschen Wurzeln?
Die deutsche Herkunft der Royals spielt da kaum noch eine Rolle. Im Zweiten Weltkrieg war das noch anders. Da hofften die Einwohner von Hannover und Braunschweig durchaus, dass ihre Städte wegen der familiären Bezüge zum Königshaus von Luftangriffen verschont bleiben. Seit dem Kalten Krieg traten andere Faktoren in den Vordergrund: Die Monarchie wurde in Westdeutschland zu einem Symbol des Antikommunismus und stand für eine ruhmreiche Geschichte ohne Brüche; also genau das Gegenteil von dem, was die Deutschen im 20. Jahrhundert erlebt haben. Insofern stimmt das Bild von der Ersatzmonarchie schon ein bisschen.

Und dann gibt es ja noch die schlichte Lust an Klatsch und Tratsch. Was macht das für Hunderttausende Leser so spannend?
Monarchien eignen sich für den Boulevard generell besser als andere Promis. Die kommen und gehen. Die Mitglieder einer Königsfamilie, gerade der britischen, stehen aber von der Geburt bis zum prunkvollen Begräbnis im Rampenlicht. Sie verkörpern für die Leser sozusagen den eigenen Lebenszyklus, und damit wächst auch das Interesse an ihrer Vita.

Anglophilie hat Tradition in Deutschland. „Bitte geht nicht!“ flehte der „Spiegel“ vor dem Brexit. Beatles, Punk und Monty Python prägten das Lebensgefühl in der Bundesrepublik mit.
Diese Bewunderung für England gab es hier schon lange vor der britischen Popkultur, mehr noch als in anderen Teilen des Kontinents. Norddeutschland, besonders Hamburg orientierte sich immer stark an Großbritannien – bis hin zur Vorliebe für den Tee. Der britisch-liberale Geist in Wirtschaft, Handel und Politik wurde nachgeahmt. Aber auch der gesellschaftliche Stil der Eliten mit ihren Clubs und ihrem Standesbewusstsein. Das englische Vorbild bot allen etwas: den Arrivierten wie der rebellischen Jugend.

Wie schauen die Briten heute auf Deutschland?
Die Erinnerung an den Krieg bleibt ein starker Identitätswert. Man hat Respekt vor deutscher Organisation und Technik und ist sich bewusst, dass die „Germanic Neighbours“ das Inselreich wirtschaftlich übertreffen. Daneben bestehen die alten Stereotype vom humorlosen, pedantischen Deutschen, der eine hässlich klingende Sprache spricht, vielfach weiter.

Wie viel weiß der Durchschnittsengländer über die Bundesrepublik?
Ironischerweise hat ausgerechnet die Deutsche Bahn einen sehr guten Ruf in Sachen Zuverlässigkeit. Das mag ein Hinweis darauf sein, dass viel Unwissen herrscht. Die Briten wenden sich spürbar ab von Deutschland und Europa.

Thomas Biskup unterrichtet an der Universität Hull europäische und atlantische Geschichte der Frühen Neuzeit und Neuzeit.
Thomas Biskup unterrichtet an der Universität Hull europäische und atlantische Geschichte der Frühen Neuzeit und Neuzeit.
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