Zweibrücken „Wie komme ich zu meiner Frau?“

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„Schwerpunkt hier ist es, den Aufenthalt kurzweilig zu gestalten und erste Integrationsschritte zu unternehmen“, erklärte Jürgen Buchholz, Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung am Zweibrücker Flughafen, beim Besuch von Staatssekretär Hannes Kopf am Dienstag (wir berichteten gestern). Die Akzeptanz in der Bevölkerung sei da, meinte Buchholz. Es gebe viel ehrenamtliches Engagement und eine große Spendenbereitschaft.

DRK-Chef Mario Sauder berichtete von vielen unsinnigen Gerüchten, die über die sozialen Netzwerke verbreitet würden: von angeblichen Schlägereien unter Flüchtlingen und einem Anstieg an Straftaten. Mitarbeiter des DRK würden teilweise als Gutmenschen verunglimpft. Er sei froh, dass die Polizei klargestellt habe, dass es keinen Anstieg an Straftaten gibt. Man binde die Flüchtlinge bei vielen Aufgaben ein, denn es sei wichtig, dass sie ihre Zeit möglichst sinnvoll verbringen könnten, so Sauder. „Waschen und trocknen haben zwei Familien komplett übernommen. Damit haben wir nichts mehr zu tun.“ Für 500 Menschen zu waschen, sei eine tagfüllende Beschäftigung. Andere Flüchtlinge helfen bei der Reinigung. Wer Englisch kann, ist oft Ansprechpartner für die anderen. 1,05 Euro pro Stunde bekommen die Menschen für ihre Helfer-Tätigkeiten. Je mehr die Menschen beschäftigt sind, desto geringer ist die Gefahr von Reibereien, lautet die Erfahrung der Flüchtlingshelfer. Manchmal komme er spätabends auf dem Heimweg noch am Lager vorbei, erzählt Sauder. „Wenn ich dann sehe, dass die Leute nachts um 1 Uhr draußen Fußball spielen, dann ist mir das lieber, als wenn sie schlafen gehen, ohne Druck abgelassen zu haben“, meint er. 490 Flüchtlinge leben laut Buchholz am Flughafen. Nächsten Dienstag machen 250 von ihnen den nächsten Schritt: Nach acht Wochen im Aufnahmelager werden sie auf Kommunen in Rheinland-Pfalz verteilt. Die medizinische Betreuung in der Einrichtung sei gut. 18 Ärzte, sechs Kinderärzte und zwei Gynäkologinnen kümmern sich laut Sauder um die Menschen. „Das ist eine Besonderheit: Wir haben jeden Tag einen Kinderarzt hier. Das ist in Rheinland-Pfalz einzigartig, so weit ich das sehen kann“, sagte Buchholz. Etwa ein Drittel der Flüchtlinge seien Kinder. Beim Rundgang werden die Schlafsäle besichtigt. Viele Stockbetten sind mit bunten Laken behangen. So wollen sich die Bewohner ein Mindestmaß Privatsphäre schaffen. An mehreren Stellen stehen Flüchtlinge mit gelben Staubsaugern in der Hand. Bei knapp 500 Menschen auf begrenztem Raum ist Sauberkeit ein hohes Gebot. Khalil Khalil aus Syrien ist seit einem Monat in Deutschland. Er konnte bei der Registrierung keinen Nachnamen angeben. Also habe er den Namen seines Großvaters Khalil genannt. Sein eigener Vorname laute aber auch Khalil. Deshalb steht in seinen Papieren nun Khalil Khalil. In Syrien habe er an einer amerikanischen Universität Informatik studiert. „Wegen des Krieges konnte ich das Studium aber nicht abschließen.“ Nun würde er sein IT-Studium gerne in Deutschland beenden. Dafür will er erst mal Deutsch lernen. „Aber es ist schwierig, sich darauf zu konzentrieren, ich mache mir so viele Sorgen um meine Familie.“ Und er vermisse seine Frau, die in Bonn ist. Sie habe zwar syrische Wurzeln, sei aber in Deutschland geboren und aufgewachsen. Doch ihre Familie zog in die Heimat zurück. In Syrien traf sie Khalil und heiratete ihn. Wegen des Krieges flohen sie nach Deutschland. Da sie deutsche Staatsbürgerin ist, kam sie nicht in ein Aufnahmelager. Khalil wiederum dürfe noch nicht aus dem Zweibrücker Lager raus. „Wie komme ich jetzt zu meiner Frau?“, fragte er. Abed AlRazzay Kassawat studierte in Syrien Wirtschaftswissenschaften. Ob er sein Studium hier weiterführen kann, ist für ihn noch offen: „Ich will nur leben.“ Kopf besuchte auch das Apparthotel, das der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) betreibt. ASB-Chef Tassilo Wilhelm berichtete von den Fortschritten der letzten Wochen. Die heiße Phase sei vorüber, langsam pendele sich alles ein. Im Hotel wohnen laut Buchholz zurzeit 220 Menschen. Für knapp 400 ist die Einrichtung ausgelegt. „Flüchtlinge mit besonderem Schutzbedürfnis“ wie Familien mit Säuglingen, alleinstehende Frauen und Kranke wohnen dort. Dort gibt es keine großen Schlafsäle, sondern Zimmer mit zwei bis drei Stockbetten. Über ein Bad ist jeder Schlafraum mit einem weiteren Zimmer verbunden, in dem wiederum Betten stehen. „Wir versuchen, uns den kulturellen Gewohnheiten der Leute ein wenig anzupassen“, erklärte Wilhelm. Dazu gehöre auch die Bestellung von hundert kleinen Gießkannen. Denn viele Flüchtlinge seien es gewohnt, sich nach dem Toilettengang in einem Bidet zu waschen. Der Zweibrücker Ibrahim Al-Saffar, der dem ASB hilft, habe sich um arabisches Essen gekümmert. (mefr)

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