Zweibrücken Soul mit viel „Uffta“ und Powerballaden

Julie Townsend singt bei Groundtown 99 leidenschaftlich Soulmusik – wie am Donnerstagabend bei der letzten After-Work-Party im Z
Julie Townsend singt bei Groundtown 99 leidenschaftlich Soulmusik – wie am Donnerstagabend bei der letzten After-Work-Party im Zweibrücker Outlet.

Im Jahr 2015 formiert Joe Whitney, Inhaber einer Künstleragentur, die Gruppe Groundtown 99. Was eher wie ein Geschäftsmodell klingt, ist möglicherweise auch ein solches. Denn immer mehr herausragende Coverbands buhlen um gut bezahlte Jobs auf großen Bühnen. Die vier After-Work-Partys im Zweibrücker Outlet dürften jedenfalls zu diesen lukrativen Aufträgen zählen. Groundtown 99 trat hier vor rund 2000 Besuchern aber sehr überzeugend auf.

Groundtown 99 schafft einen nicht ganz so leicht zu bewältigenden Spagat. Die Hörgewohnheiten der Zuhörer haben sich geändert. Die Soulmusik von heute ist kaum mit der von Einst zu vergleichen. Heute ist da sehr viel „Uffta“, verbunden mit Powerballaden. Sie verlangen von ihren Interpreten alles ab. Nicht wenigen Soulfans der klassischen Schule geht das auf die Nerven. Sie ätzen ab und an, dass die kreischenden Divas von heute dem Soul den letzten Funken Seele austreiben. Whitney hat die Band Groundtown 99 nach einem ehernen Gesetz formiert. Denn an den Mikrofonen muss in Coverbands mindestens ein Duo singen, das sich aus Frau und Mann zusammensetzt. Das ist so, weil man die Hörgewohnheiten der Zielgruppe bei live gespielten Songs nicht mit dem falschen Geschlecht im Ohr überfordern dürfte. Den Gesang übernehmen bei der Band Groundtown 99 deshalb die attraktive Julie Townsend und ihr vollbärtiger Kollege Telly Siebert. Man merkt aber schnell, wer hier Herr im Haus ist. Klar singt Julie Townsend Kracher, wie Adeles „Rolling in the Deep“. Aber der Funke zündet beim famosen Telly Siebert eben deutlicher. Das hervorragend animierende Partytier streut mit „Long Train Running“ von den Doobie Brothers tonnenweise musikalische Funken ins Publikum. Wer Ohren hat zu hören, wird sich auch an der Instrumentierung der von Groundtown 99 gebotenen Klassiker erfreuen. Zur Erklärung folgt ein Ausflug in die jüngere Musikgeschichte. Ausgerechnet die französischen French-House-Musiker Daft Punk geben im Jahr 2013 mit ihrem Meilenstein „Random Access Memories“ dem Soul die Seele zurück. Eine der Singles heißt da „Give Life Back to Music“, also „Gebt der Musik das Leben zurück“. Nicht nur da prägt die klassische Soulgitarre von Nile Rodgers die damals neuen Daft-Punk- Songs. Was das mit Groundtown 99 zu tun hat? Sehr viel. Als die Musiker im Outlet mutiger werden, geben sie den nachgespielten Songs immer häufiger eigene Noten. Philipp Kraiß an der Gitarre beweist sich als jemand, der sich womöglich nicht nur nach „Random Access Memories“ exakt mit Rodgers Schaffen beschäftigt haben muss. Und Rodgers hatte mit dem Bassisten Bernard Edwards und der Gruppe Chic Ende der 70er Jahre immerhin den Klang eines ganzen Jahrzehnts erfunden. Genau diesen Klang von damals hat Daft Punk genial mit der Musik von Heute verknüpft. Das macht „Random Access Memories“ zu einem Klassiker in der Kategorie von Michael Jacksons „Thriller“. Die Musiker Kraiß, Niklas Esser am Bass und Tim Eden am Keyboard führen dieses anspruchsvolle Erbe bei Groundtown 99 famos fort. Zu „Crazy“ von Gnarls Barkley wagt Kraiß ein wildes, aber passendes Rockgitarrensolo. An anderer Stelle darf sich Niklas Esser am Bass hervortun. Seit Prince tot ist, sind seine Lieder wieder häufiger auf Coverbühnen zu hören. Warum eigentlich erst jetzt? Groundtown 99 wagt sich an seinen schwierigen Song „Kiss“, den der Popgigant aus Minneapolis im hohen Falsett sang. Telly Siebert meistert die von Prince vorgegebenen Höhen erstaunlich gut. Im Original hat Prince den Titel übrigens fast ohne Bass aufgenommen. Niklas Esser haut hier trotzdem ein Solo am Bass in der Technik des Slappens (des Schlagens der unteren Saiten) auf dem Griffbrett raus . Fantastisch! Sollte Prince es im Himmel über Zweibrücken gehört haben, wird es ihm gefallen haben. Chapeau! Der Konzertabend hat sich gelohnt.

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