Zweibrücken Siebenpfeiffer-Preis für mutige Journalisten aus Osteuropa

Vseslava Soloviova, Katerina Sergatskova und Roman Stepanovych von Zaborona aus der Ukraine, Marfa Smirnova aus Russland, Jurypr
Vseslava Soloviova, Katerina Sergatskova und Roman Stepanovych von Zaborona aus der Ukraine, Marfa Smirnova aus Russland, Jurypräsident und SR-Intendant Martin Grasmück, Ljubou Kaspjarowitsch aus Belarus, Siebenpfeiffer-Stiftungsvorsitzender und Saarpfalz-Landrat Theophil Gallo und Laudator Udo Lielischkies (von links).

Edelfedern wie Franz Alt oder Peter Scholl-Latour haben ihn schon bekommen, den Siebenpfeifferpreis für unerschrockene Journalisten. Am Sonntag ging diese Auszeichnung an Reporter aus der Ukraine. Aber auch aus deren Feindesländern.

Diesmal hat die Siebenpfeiffer-Stiftung ihren renommierten Journalistenpreis nicht wie gewohnt in Homburg verliehen, sondern in Zweibrücken. Grund ist ein Jubiläum: 190 Jahre ist es her, dass im damaligen Bubenhauser Gasthaus Ladenberger mit dem „Preß- und Vaterlandsverein“ der erste Journalistenverband auf deutschem Boden ins Leben gerufen wurde. Von Mitstreitern des saarpfälzischen Landcommissärs Philipp Jakob Siebenpfeiffer, der im 19. Jahrhundert für sein Streiten für Demokratie und Bürgerrechte ins Gefängnis geworfen wurde.

Der Preis der nach Siebenpfeiffer benannten Stiftung ehrt seit 1987 Medienschaffende, die im Sinne des Landcommissärs das Demokratiebewusstsein fördern und sich für Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit einsetzen – ohne Rücksicht auf eigene Vor- oder Nachteile. Für die Jury unter Vorsitz von Martin Grasmück, Intendant des Saarländischen Rundfunks (SR), lag es nahe, in diesem Jahr eine Schar mutiger Medienvertreter aus der Ukraine sowie aus den Autokratien Russland und Belarus zu ehren. Zum Schutz der Preisträger hatte Theophil Gallo, Vorsitzender der Siebenpfeiffer-Stiftung, deren Identität bis Sonntag geheimgehalten.

„Was man in Russland heute Patriotismus nennt“

„Ich bin Journalistin“, sagte die Russin Marfa Smirnova: „Es ist meine Aufgabe, wahrheitsgemäß über das zu berichten, was ist.“ Smirnova betonte, dass Russland ihre Heimat sei und dies immer bleiben werde. „Aber ich habe Putin nie gewählt und ich schäme mich für das, was mein Land der Ukraine antut und dafür, was man in Russland heute Patriotismus nennt. Die Liebe der Mütter der russischen Männer, die heute zum Töten und Sterben in die Ukraine geschickt werden, wird zur Stimme der vielen Sprachlosen werden. Ich glaube daran, dass in meinem Land eines Tages der Wandel kommt.“

Den Hauptpreis nahmen am Sonntag Katerina Sergatskova und Roman Stepanovych entgegen, die in der Ukraine das investigative Nachrichtenmedium Zaborona gegründet haben. „Als Journalisten machen wir weiter, und aus dem Exil heraus unterstützen wir unsere Kollegen in der Heimat unter anderem mit Helmen, Schutzwesten und Erste-Hilfe-Sets, damit sie weiter berichten können“, erklärte Roman Stepanovych.

„Der Mord, der an der Ukraine begangen wird“

Aus Belarus, dessen Diktator Lukaschenko mit Putin verbündet ist, kommt Ljubou Kaspjarovitsch. Die nach Deutschland vertriebene Journalistin widmet ihren Sonderpreis ihren Kollegen, die für wahrheitsgemäße Berichterstattung im Gefängnis sitzen. Sie selbst war nach einem Interview mit Regimekritikern eines Morgens abgeholt und zusammen mit 15 weiteren Frauen zwei Wochen lang in eine zwölf Quadratmeter kleine Zelle gesteckt worden. Das System in Russland und Belarus, so sagte Kaspjarovitsch und kämpfte mit den Tränen, „will den Menschen in dir drin vernichten und abtöten“.

„Hätte Russland diesen Krieg gewonnen, säßen wir heute nicht hier“, sagte als Ehrengast Andrij Sulym, Landrat Theophil Gallos Amtskollege aus der ukrainischen Region Lwiw/Lemberg, die seit einigen Jahren eine Partnerschaft mit dem Saarpfalz-Kreis unterhält. „Hätte Wladimir Putin gewonnen, dann würde er seine Propaganda heute überall unwidersprochen in die Welt hinaus tragen.“ Auf Sulyms Bitte hin erhoben sich die Versammelten in der Festhalle zur Schweigeminute für die Tausenden Ukrainer, die dem russischen Angriffskrieg zum Opfer gefallen sind. Zum Gedenken, so Sulym, „an den Mord, der in diesem Moment an der Ukraine begangen wird“.

Siebenpfeiffer-Preis: Die Preisträger 2022

  • Hauptpreis (dotiert mit 8000 Euro): Das 2018 von Katerina Sergatskova und Roman Stepanovych gegründete Medien- und Internetportal Zaborona setzt sich kritisch mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen in der Ukraine auseinander. Das junge Team versucht, durch hohe ethische journalistische Standards unabhängig zu bleiben. Dabei muss es immer wieder abwägen, ob seine Veröffentlichungen nicht auch den russischen Invasoren nützen könnten. Zaborona ist gemeinnützig, spendenfinanziert und nimmt kein Geld von Oligarchen an.
  • Sonderpreis (2000 Euro): Ljubou Kaspjarovitsch aus Belarus wurde nach einer Reportage über Regimekritiker, denen der Prozess gemacht wurde, 15 Tage lang ins Gefängnis gesperrt. Von Deutschland aus hält sie heute Kontakt zu Kollegen in ihrer Heimat und arbeitet unter anderem für deutsche Medien wie „Die Zeit“.
  • Sonderpreis (2000 Euro): Die russische Journalistin Marfa Smirnova hat unter anderem beim unabhängigen Sender TV Doschd gearbeitet, bis dieser geschlossen und verboten wurde. Vom georgischen Exil aus verbreitet sie auf Youtube weiterhin Nachrichten in russischer Sprache.
x