Zweibrücken Scarlett fackelt nicht lange

Ein Freiheitskämpfer stand getreu dem Festivalmotto „Helden und Legenden“ im Mittelpunkt des ersten lothringischen Festivalbeitrags am Samstag im Espace Cassin in Bitsch: „Locksley – die Legende von Robin Hood“, ein Musical von Ferdinand Bistocchi und François-Xavier Borsi.

Für das Libretto überarbeitete Rémi Delekta die mittelalterliche Legende um den englischen Vorkämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit, die das Orchestre Symphonique de Marly unter Leitung von Ferdinand Bistocchi in der Regie von Renato Fontana und Marie Poschmanns fantasievollen Kostümen in einer beeindruckenden Aufführung zeigte. Delekta brachte neue Aspekte ins Spiel: In seinem Epos um Robin von Locksley (Fabrice Pereira), der König Richard von England (Denis Marcellin) als Kreuzfahrer ins heilige Land begleitet hat und jetzt zutiefst desillusioniert zurückgekehrt ist, um gegen Richards Bruder Prinz John (Guillaume Gosley) mit seinen thronräuberischen Ambitionen an der Seite der Geächteten zu kämpfen, ist deren Anführer Will Scarlett (Laura Boutron) eine Frau – ein Spiegelbild Locksleys. Dieser Kunstgriff brachte neue Spannung und Dynamik in die bekannte Geschichte, denn zum Schluss tötet Scarlett den Helden, der nach der siegreichen Rückkehr König Richards gerade die Hochzeit mit seiner geliebten Marianne (Adeline Krenc) feiern will. „Jede der vielen Erzählungen um Locksley ist einzigartig,“ betonte Delekta, „und wir erzählen unsere Version. Beide, Locksley und Scarlett, werden zu Außenseitern, obwohl sie dem Adel entstammen. Aber Locksley kommt aus einer reichen Familie, während sie in Armut aufgewachsen ist. Und dann kommt er und nimmt ihren mühsam erkämpften Platz als Anführer der Geächteten ein. Und sie hat sich in ihn verliebt, während er Marianne heiratet. Scarlett ist ohnehin schon eine zutiefst zerrissene Persönlichkeit, aber jetzt eskaliert ihre Eifersucht endgültig und sie tötet Locksley lieber, als dass sie ihn einer anderen überlässt. Aber das Vorbild Locksleys wirkt weiter, andere führen seinen Kampf weiter. Das ist unsere Botschaft.“ Die lothringische Version überzeugte rundum: Poesievolle Bilder bildeten einen stimmungsvollen Rahmen für die spannend und unterhaltsam erzählte Geschichte. Die Musik von Bistocchi und Borsi vereinte Ausdruckskraft, Klangfülle und Farbenreichtum der Romantik mit modalen Kompositionsstilen der Frührenaissance. Aber auch Einflüsse von Andrew Lloyd Webber waren in der in sich geschlossenen, klangschön interpretierten Musik unüberhörbar. Exotisches Kolorit kam in der Musik wie in der Szene zum Ausdruck, auch Momente voll magisch-mystischen Zaubers in den Waldszenerien, unterstützt von der Choreografie von Aurélie Bernard. Vor allem aber fesselten die Darsteller, die mit Engagement und Bravour ihre Rollen lebendig werden ließen. Kristallisationspunkt war Fabrice Pereira, der den Protagonisten und seinen Entwicklungsprozess vom unkritischen höfischen Ritter zum revolutionären Freiheitskämpfer klangschön und mit jugendlichem Feuer verkörperte. Über allen Aktionen des Helden lag dabei eine Anmut, die selbst in groben Slapstickszenen für Rohheit keinen Platz ließ; Locksley blieb eine strahlende Lichtgestalt, war aber nie unnahbar, sondern voller Wärme und Menschlichkeit. Adeline Krenc hob die ausgeprägte Persönlichkeit Mariannes hervor, die sich hinter der Fassade der schönen, eleganten Hofdame verbirgt. Mit kraftvoll-aufblühendem Tenor sang sich Guillaume Gosley als Prinz John seinen Frust über seine gescheiterte Revolte von der Seele. Die seelische Qual der ungestüm aufbegehrenden Rebellin Scarlett kam im temperamentvollen Spiel von Laura Boutron fesselnd zur Geltung.

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