Zweibrücken Mit Baby im Bauch im Gefängnis

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Ein Fahrzeug des Justizvollzugs steht vor dem Eingang der JVA) Zweibrücken.

In den Gefängnissen sitzen nicht nur kriminelle Rocker und Drogenbosse ein. Auch Frauen leben dort - manche von ihnen schwanger. Was mit den Neugeborenen passiert, regelt der Staat.

Von ihrer Schwangerschaft erfährt die junge Frau* im Gefängnis. Sieben Monate später hat sie einen kugelrunden Babybauch und sitzt noch immer in der Justizvollzugsanstalt in Zweibrücken. Wenn in Kürze die Wehen einsetzen, wird sie in ein Krankenhaus gefahren, wo sie unter Aufsicht von zwei Justizbeamten ihr Kind zur Welt bringt. Nach der Geburt geht die Mutter zurück in den Knast. Das Baby bleibt draußen.

Keine Kinder im Gefängnis möglich

Eine Möglichkeit, ihr Neugeborenes mit ins Gefängnis zu nehmen, hat die 31-Jährige nicht: In Rheinland-Pfalz gibt es - wie in einigen anderen Bundesländern auch - keinen Mutter-Kind-Vollzug. „Ich halte es nicht für richtig, dass man einer Mutter das Kind direkt nach der Geburt wegnimmt“, sagt die Schwangere. Sie grübelt jeden Tag, wie dieser Tag X aussehen wird. „Damit bestraft man das Kind, die Mutter, den Vater - alle.“ Die erste Mutter-Kind-Einrichtung wurde 1975 in Frankfurt gebaut. Heute gibt es solche Häuser oder andere Möglichkeiten, Kinder bei ihren inhaftierten Müttern zu lassen, in Baden-Württemberg (Schwäbisch Gmünd), Bayern (Aichach und München), Berlin, Hamburg, Hessen (Frankfurt), Mecklenburg-Vorpommern (Neustrelitz), Niedersachsen (Vechta), Nordrhein-Westfalen (Fröndenberg) sowie Sachsen (Chemnitz). Andere Länder haben Abkommen mit Nachbarländern.

Jugendamt entscheidet

In den Haftanstalten in Rheinland-Pfalz ist die 31-Jährige nicht die einzige Betroffene. Derzeit sitzen fünf Schwangere ein. Im vergangenen Jahr haben acht Frauen während der Haft entbunden, im Jahr davor waren es drei Frauen, in diesem Jahr bislang eine. Was mit den Babys geschieht, entscheidet das Jugendamt. „Entweder bleibt das Kind bei Oma, Opa oder beim Ehemann oder Freund“, erklärt Hagen Paulus, Sozialarbeiter in der JVA Zweibrücken. „In den überwiegenden Fällen erfolgt die Unterbringung aber in einer Pflegefamilie.“

Besuche streng reglementiert

Die Frau mit dem kugelrunden Bauch, die schon eine zwölf Jahre alte Tochter hat, wird das Neugeborene dem Vater anvertrauen. „Ich mache mir um alles Sorgen. Er wird es schon hinkriegen - aber ich würde es besser machen“, ist sie sich sicher. Besuche im Gefängnis sind auch für Babys streng reglementiert: Einmal im Monat zwei Stunden normaler Besuch, einmal im Monat zwei Stunden Kinderzusatzbesuch und gegebenenfalls Sonderzusatzbesuche. Die Gefangene ringt noch mit sich, ob sie das Baby in der Haftanstalt sehen will. „Das macht es ja noch schwerer, wenn man sich dann wieder trennen muss. Dann riecht es einen wieder, und muss doch wieder weg - ich weiß nicht, ob das gut ist. Für's Kind und für mich.“ Vielleicht wird sie einen Monat nach der Geburt entlassen - vielleicht aber auch nicht. Über die Aussetzung der zweiten Hälfte der 23-monatigen Haftstrafe auf Bewährung entscheidet ein Gericht.

Keine milderen Strafen für Schwangere

Könnten Staatsanwaltschaften bei Schwangeren nicht von einer Vollstreckung der Strafe absehen? Sandra Gauf, stellvertretende Anstaltsleiterin der JVA Zweibrücken, schüttelt den Kopf. „Die Staatsanwaltschaften würden sich veralbert fühlen, wenn eine Frau nur deswegen auf freien Fuß kommt, weil sie schwanger ist. Sie wollen ihre Strafe auch vollstreckt sehen.“ Schon jetzt, ergänzt Sozialarbeiterin Sabine Rubel-Kreuels, würden einige Frauen während laufender Prozesse schwanger, weil sie auf Verschonung oder Strafaufschub hofften. Für einen ganz anderen Umgang mit straffällig gewordenen Müttern plädiert Lydia Halbhuber-Gassner, die beim Sozialdienst katholischer Frauen in München für Straffälligenhilfe zuständig ist. „93 Prozent der inhaftierten Frauen stellen keine Gefahr für die Öffentlichkeit dar. Sie sitzen wegen Eigentumsdelikten, Betrug, Drogen, Schwarzfahren – es wäre überhaupt kein Problem, die allermeisten Frauen in einem offenen Vollzug unterzubringen“, sagt sie. Dann dürften die Frauen tagsüber das Gefängnis verlassen. In Zweibrücken befinden sich derzeit nur 13 von rund 125 Frauen im offenen Vollzug. „Die Frauen müssen lockerungsgeeignet sein, also es darf keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr bestehen“, erklärt die stellvertretende Anstaltsleiterin Gauf. Und vor allem: Es darf keine Gefahr bestehen, dass die Gefangene sich Drogen kauft. „70 bis 80 Prozent haben eine Drogenproblematik“, ergänzt sie. Auch Schwangere seien davon nicht ausgenommen. In einem Frauengefängnis in Frankfurt sitzen einige Kleinkinder zusammen mit ihren Müttern hinter Gittern. Im offenen Vollzug nimmt Hessen dort manchmal auch Frauen aus Rheinland-Pfalz auf. Allerdings seien dafür „umfangreiche Aufnahmevoraussetzungen“ nötig, erklärte das rheinland-pfälzische Justizministerium. In den vergangenen drei Jahren seien insgesamt zwei weibliche Inhaftierte aus Rheinland-Pfalz in der Mutter-Kind-Einrichtung im Nachbarland untergekommen.

Ministerium prüft Bedarf

Das Ministerium in Mainz wird nun prüfen, ob auch in Rheinland-Pfalz Bedarf für Mutter-Kind-Plätze besteht. „Nicht alle Frauen, die entbinden oder Kinder bis zum dritten Lebensjahr haben, sind für den Mutter-Kind-Vollzug geeignet“, betont ein Sprecher. Zum Teil sei von „nicht unerheblichen Erziehungsdefiziten“ auszugehen - so dass das Kind auch dann in eine Pflegefamilie gegeben worden wäre, wenn die Mutter nicht in einem Gefängnis sitzen würde. Diese Einschätzung teilen die Beschäftigten in Zweibrücken. „Wir haben immer wieder Fälle, wo es bereits Kinder gibt, die von der Mutter auch schon vernachlässigt wurden“, erzählt Sozialarbeiterin Rubel-Kreuels. Oft lebten die Frauen in einem schwierigen sozialen Milieu, nähmen Drogen, „sind verwahrlost und nicht sozial verträglich“. Einige seien den eigenen Kindern gegenüber total gleichgültig. „Das ist auch für uns nicht immer schön zu sehen.“ Die stellvertretende Anstaltsleiterin Gauf ergänzt, es könne nicht eine passende Lösung für alle weiblichen Inhaftierten geben. „Es wäre zu kurz gefasst zu sagen: Alle auf freien Fuß oder alle in Mutter-Kind.“ Naiv sei auch die Vorstellung, dass Frauen wegen einem Kind nicht mehr straffällig werden würden. Einige begingen auch während ihrer Schwangerschaft Taten. Bei allen Überlegungen stünde immer das Wohl des Kindes im Vordergrund. Eva-Verena Kerwien von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe in Bonn plädiert für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Strafvollzug. In zahlreichen Studien seien die Auswirkungen von Stressbelastungen der Mutter während der Schwangerschaft auf die spätere emotionale und kognitive Entwicklung des Kindes nachgewiesen worden, schreibt Kerwien im Sammelband „Frauengesundheit im Gefängnis“. Die Ungeborenen dürften nicht „mitbestrafte Dritte“ werden.

"Trennung von der Mutter wiegt schwer"

Der Justizvollzug trage eine „besondere Mitverantwortung“ für die Kinder - und werde dieser nicht gerecht, meint Kerwien. „Für viele weibliche Häftlinge sind Kinder eine Quelle der Hoffnung in der Trostlosigkeit des Gefängnisalltags. Die Trennung von Mutter und Kind kann schwerwiegende Auswirkungen auf das körperliche und seelische Wohlbefinden von beiden haben“, erklärt sie unter Berufung auf einen Bericht der Weltgesundheitsorganisation. Doch wegen der knappen Plätze könnten bundesweit nur wenige Babys bei ihren Müttern bleiben. Platz sei zumindest in Frankfurt nicht das Problem, sagt Almuth Kummerow, Leiterin der Anlaufstelle für straffällig gewordene Frauen bei der Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt. Zwar sind im geschlossenen Vollzug alle fünf Plätze derzeit belegt, im offenen Vollzug aber gilt das nur für fünf der zwölf Plätze. Um dort hineinzugelangen, gibt es laut Kummerow viele Hürden zu meistern: Die Strafe muss abgesessen sein, ehe das Kind drei Jahre alt ist. Die Mütter dürfen nicht drogenabhängig sein. „Und es wird immer geprüft, ob es eine anderweitige familiäre Unterbringung gibt - die geht stets vor.“

Unterstützung für Schwangere

In Zweibrücken versucht die Anstaltsleitung, es den Schwangeren so angenehm wie möglich zu machen. „Wenn ich jemanden sprechen möchte, gibt es hier immer Sozialarbeiter und Psychologen“, sagt die 31 Jahre alte Schwangere. Sie bekomme mehr Milch und Joghurt sowie mehr medizinische Betreuung. „Auch die anderen Gefangenen sind ganz lieb, ich werde bekocht und bebackt“, erzählt sie. „Und jeden Tag kommt die ganze Station und streichelt meinen Bauch.“

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Eine weibliche Inhaftierte blickt im Frauenvollzug der JVA Zweibrücken aus ihrer Zelle durch ein vergittertes Fenster auf einen Innenhof.
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Eine Justizvollzugsbeamtin schließt eine Zelle im Frauenvollzug der JVA Zweibrücken auf.
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Fernsehen als Ablenkung in der Zelle.
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Blick aus einem Fenster im Frauenvollzug der JVA Zweibrücken auf einen Innenhof.
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Zwei Besucherinnen stehen vor dem Eingang der JVA Zweibrücken.
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Eingang der JVA Zweibrücken.
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