Zweibrücken Halbgott in Weiß

Parallel zur Steinhauser Straße verläuft die Sauerbruchstraße.
Parallel zur Steinhauser Straße verläuft die Sauerbruchstraße.

Richtige Götter beginnen ihre Laufbahn ganz oben – etwa auf dem Olymp. Anders ist es bei Halbgöttern: Sie müssen sich in der Regel erst hocharbeiten. Bevor der 1875 geborene Arzt Ferdinand Sauerbruch, nach dem in Zweibrücken eine Straße benannt ist, zum Titan und Halbgott in Weiß aufstieg, musste auch er einige Klippen umschiffen.

Sauerbruch war wohl der populärste Arzt und Chirurg in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Er galt als der Idealtypus des Halbgottes in Weiß. Unter seiner Leitung wurde die Charité in Berlin zu einem Mekka für Thorax-Chirurgen aus der ganzen Welt. Doch Halbgötter, auch die weißen, sind nicht unsterblich. Sauerbruch, der zunehmend an einer Cerebral-Sklerose litt, starb am 2. Juli 1951 in Berlin. In vielen deutschen Städten erinnern Straßennamen an ihn. In Zweibrücken verläuft die Sauerbruchstraße stadtauswärts parallel zur Steinhauser Straße. Sauerbruch begann seine Karriere als mäßiger Schüler, der erst im zweiten Anlauf das Abitur auf einer Oberrealschule in Elberfeld (das heute zu Wuppertal gehört) schaffte. Das Abitur an einer Oberrealschule berechtigte ihn jedoch nicht zur Aufnahme eines Studiums an der naturwissenschaftlichen Fakultät einer Universität. Deshalb musste Sauerbruch das Graecum auf einem altsprachlichen Gymnasium in Mülheim an der Ruhr nachholen. Danach studierte Sauerbruch Naturwissenschaften in Marburg, wo er Mitglied einer Studentenverbindung wurde. Wegen ungebührlichem Verhalten während seiner Fuxenzeit wurde er aus der Verbindung ausgeschlossen. Sauerbruch wechselte an die medizinische Fakultät in Leipzig, wo er Arzt wurde. In Leipzig trat er wieder in eine Studentenverbindung ein und kümmerte sich als sogenannter Paukarzt um studentische Fechter. Als junger Arzt war Sauerbruch an mehreren Krankenhäusern in Deutschland tätig. Er habilitierte und arbeitete, bevor er 1928 Professor an der Berliner Charité wurde, unter anderem an einem Krankenhaus in Zürich. 1933 beteiligte sich Sauerbruch am Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und zum Nationalsozialismus. 1934 wurde Sauerbruch von Hermann Göring zum Staatsrat ernannt. Sein Verhalten während der NS-Zeit war widersprüchlich. So nahm er 1937 auf dem Reichstag der NSDAP in Nürnberg den von Hitler gestifteten Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft entgegen und wurde zum Reichsforschungsrat berufen. 1942 wurde er zum Generalarzt des deutschen Heeres ernannt. Andererseits protestierte Sauerbruch gegen das Euthanasie-Programm und hielt Kontakt zu Regimegegnern. Unmittelbar nach der Kapitulation wurde er Mitglied im von den Sowjets geschaffenen Berliner Magistrat, in dem er für das Gesundheitswesen zuständig war. Im Juni 1945 unterzeichnete Sauerbruch in Berlin einen Gründungsaufruf der CDU, wurde aber im Oktober 1945 vom alliierten Kontrollrat aus dem Stadtratsamt entlassen mit der Begründung, er habe zum Ansehen des Nationalsozialismus beigetragen. Immerhin war er während der Zeit des Nationalsozialismus zum Träger des Ritterkreuzes des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern avanciert. Die Serie Hinter den Zweibrücker Straßennamen verbergen sich oft skurrile, überraschende und sogar schaurig-blutige Geschichten. Josef Reich hat ihnen nachgespürt.

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