Zweibrücken „Haben alle den Verstand verloren?“

„Den Ausschlag für die negative Entscheidung der EU-Kommission haben einzig und allein die 40 Kilometer gegeben, die zwischen den Flughäfen Saarbrücken und Zweibrücken liegen“, bekundete die Mainzer Regierungschefin gestern Nachmittag in der Festhalle ihre Machtlosigkeit. Sie nannte es „doppelt pervers“, dass der Zweibrücker Airport „erst von der EU-Kommission mit Geld gefördert“ worden sei, um von dieser dann zu hören, dass das Handeln in Rheinland-Pfalz illegal gewesen sein soll. „In Bezug auf Nürburgring, Hahn und Zweibrücken standen wir stets im engen Austausch mit Brüssel“, wies Dreyer den Verdacht von sich, dass die Mainzer Landesregierung das Zweibrücker Luftverkehrs-Projekt womöglich geopfert habe, um die beiden anderen Großprojekte gegenüber der EU zu retten. Die Ministerpräsidentin versprach, sich für die Umwidmung des Zweibrücker Flughafens in einen Verkehrslandeplatz einzusetzen: „Dann können wir hier fliegerische Luftverkehre aufrecht erhalten. Kleinere und Charterflüge blieben möglich. Außerdem gibt es in Zweibrücken Flugzeugwerften. Dort müssen auch in Zukunft Luftbewegungen möglich bleiben.“ Malu Dreyer hatte in der Festhalle vor dem Publikum aus geschocktem Flughafen-Personal und konsternierten Kommunalpolitikern keinen leichten Stand: Die Skepsis ob des ernst gemeinten Einsatzes der Mainzer Regierung für den Zweibrücker Flughafen war in dem mit gut 350 Zuhörern besetzten Saal mit Händen zu greifen. Dagegen sprach Oberbürgermeister Kurt Pirmann den Zuhörern aus dem Herzen, als er eine laute Anklage gen Brüssel erhob: „Wir brauchen kein Europa, in dem ein Einzelner hinterm Schreibtisch entscheidet, morgen in Rente geht und hier vor Ort nur Scherben hinterlässt!“ Mit Blick auf die folgenschwere Entscheidung des Wettbewerbskommissars Joaquín Almunia argumentierte Pirmann, es könne doch nicht sein, „dass ein einzelner Mensch, ohne durch eine Wahl legitimiert zu sein, sich nirgends dafür rechtfertigen muss, was er in dieser Region anrichtet“. An Dreyer und Lewentz richtete der OB die Erwartung, „dass Ihr Euch in Mainz zusammenreißt. Hört auf, in Rot, Schwarz oder Gelb zu denken. Hier leben Menschen, die ein Recht auf Arbeit und eine Zukunft haben.“ „Wir stehen an Ihrer Seite“, rief Minister Roger Lewentz namens der Landesregierung in die Festhalle. Etliche der Anwesenden hatten sich mit Fragen zu Wort gemeldet. Zweibrücken werde Investitions-Schwerpunkt bleiben, sagte Lewentz. Seit 1992 seien immerhin „174 Millionen Euro hierher geflossen“. Jetzt gelte es, „den laufenden Flugbetrieb so lange wie möglich zu halten“. Der Mainzer Wunsch nach einer „geordneten Abwicklung über zwölf bis 16 Monate“ sei von Almunia abgeschmettert worden. Das Urteil des EU-Kommissars sei „nicht nachvollziehbar“, assistierte Malu Dreyer und kündigte an, dass für jeden betroffenen Arbeitsplatz gekämpft werde. Dreyer rief zu Zuversicht und neuen Investitionen am Standort auf – zu einer „Konversion der Konversion“, wie dies Verbandsbürgermeister Jürgen Gundacker gestern ausdrückte. Schon die Eltern derjenigen, denen jetzt die Kündigung droht, seien 1992 nach der Schließung des Flughafens arbeitslos geworden. „Und das erleben diese Leute jetzt wieder“, klagte Kurt Pirmann: „Weil die Region nicht die Achtung erhält, die ihr gebührt.“ Und dass Pirmasenser Einzelhändler bereits laut über eine Klage gegen die Sonntags-Öffnung am Outlet nachdenken, mache ihn fassungslos: „Haben hier jetzt alle den Verstand verloren? Wir sind doch eine gemeinsame Region, wir müssen füreinander einstehen!“ Bezeichnend: Vor Veranstaltungsbeginn hatte die Arbeitsagentur in der Festhalle Informationsmappen ausgelegt – zum Mitnehmen.

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