Zweibrücken Ein Rechner, so teuer wie ein Auto

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Mit seiner Sammlung von über 500 Rechenmaschinen steht Wolfram Kohl aus Bubenhausen in der Region allein auf weiter Flur. Sein erstes Exemplar war der elektronische Tischrechner Canola. Von den Mikro-Rechnern wechselte Kohl zu mechanischen Rechengeräten und -hilfen. Auch eine ganze Reihe von Anekdoten, Mythen und Legenden gehört zu seinem Fundus.

„Es begann alles mit den Kanadiern“, erzählt der Kunstfeuerwerker Wolfram Kohl über den Beginn seiner Leidenschaft für Rechenmaschinen. „Für den Lufttransport musste ich für die ganzen Feuerwerkskörper den Kubikinhalt ausrechnen.“ So zum Beispiel beim Verfrachten von der kanadischen Air Force Station Zweibrücken zum kanadischen Militärflugplatz Montmédy-Marville in Lothringen. Rund 350 Artikel hatte der Zweibrücker in seinem Verkaufssortiment. Und mancher Kunde wollte nur halbe Teile. „Mit einer Hand-Addiermaschine war es eine Heidenarbeit, die konischen Stangen zu berechnen“, erklärt Kohl. So kaufte er 1971 nach akribischer Suche den elektronischen Tischrechner Canon Canola LSL Mikroelektronik mit vier LSL-Schaltkreisen. „Der Listenpreis lag bei 3000 Mark. In Saarbrücken habe ich ihn bei Ludwig für 2034 Mark bekommen. Eine Alternative wäre der druckende Tischrechner ICC-163 PS von Sanyo für rund 6500 Mark gewesen. „Wenn man bedenkt, dass ich mir damals einen Ford Kombi für 7000 Mark gekauft habe, so waren die Preise doch astronomisch“, erinnert sich der Sammler.Die Miniaturisierung hat den Elektronik-Interessierten schon vorher begeistert. Seit seiner Lehre bei Pekazett (Peschke Karl Zweibrücken) in der Schillerstraße Anfang der 1950er Jahre beschäftigt sich Kohl damit. „1963 habe ich mir ein Strahlenmessgerät gebaut – so groß wie eine Streichholzschachtel“, berichtet er. Wie er eindrucksvoll demonstrieren kann, knattert der Mini-Geigerzähler immer noch. Schriller dagegen war der „elektronische Kinderschreck“, der los ging, wenn die Kinder sich trotz Verbots aus dem Schlafzimmer schlichen. Dem Canon-Rechner folgten weitere Kalkulatoren, zu fast jedem hat Kohl eine Geschichte parat. Das einst für regulär 775 Mark gekaufte Busicom „Handy“ LE-80A, laut Werbung der „handliche Elektronenrechner im Westentaschenformat“, sei der erste chipbestückte Tischrechner gewesen. Der Japaner Kojima habe ihn 1972 mit seiner Firma Busicom hergestellt. Entwickelt hat den benötigten Chip – der erste programmierbare Rechnerchip – ein Ingenieur des des amerikanischen Unternehmens Intel für 60 000 Dollar. Kurz darauf kauften die Amerikaner auf Druck des Ingenieurs die Urheberrechte für den 4004-Prozessor zurück. Intel wurde zu einem der wichtigsten Chiphersteller weltweit. Auch Kombirechner hat Kohl in seiner Sammlung. Zum Beispiel den für 348 Mark gekauften TR1 des deutschen Unternehmens Faber-Castell, das für Schiefertafeln, Bleistifte und Rechenstäbe bekannt war. Nach dem Verkauf des ersten technisch-wissenschaftlichen elektronischen Taschenrechners von Hewlett Packard im Jahr 1972 habe Faber den ersten elektronischen Taschenrechenstab entwickelt und 1974 als Serie TR1 bis TR4 auf den Markt gebracht. Wegen der beginnenden Massenproduktion und Billigangeboten aus Fernost stellte Faber den Verkauf bereits 1975 wieder ein. Eine aus heutiger Sicht kuriose Story erfreut Kohl jedes Mal aufs Neue. 1969 sei in der legendären Funkschau, Heft 21, am Ende eines Artikels über elektronische Taschenrechner geschrieben worden: „Schulkinder mit der handgroßen elektronischen Rechenmaschine in der Tasche sind eine reale Zukunftsvision.“ Daraufhin sei es zu Abonnementkündigungen gekommen. Mit der Begründung, dass man eine Fachzeitschrift und kein Science-Fiction-Magazin lesen wolle. Zu den elektronischen Rechnern gesellten sich Anfang der 1980er Jahre die mechanischen. Kohl taten es besonders die Staffelwalz- und Sprossenradgeräte an. „Bei Wolf und Sofsky habe ich mir die ausgemusterten Rechenmaschinen geholt, weil man auf Elektronik umstieg“, schildert Kohl. Auch bei anderen Firmen wurde er fündig. 1982 besuchte er erstmals eine Auktion in Köln. An sein erstes ersteigertes Objekt kann er sich noch gut erinnern: „Es war die Addiermaschine Agathon, zwischen 1932 und 1934 bei Haid in Donaueschingen produziert.“ Es folgte die Adix im Bakelitgehäuse. Natürlich fehlen in Kohls Sammlung auch nicht der blecherne „Educated Monkey“, der 1916 patentierte, gelenkige Rechenaffe „Consul“, und große Maschinen, die rattern und klackern. „Manchmal ist eine Gebrauchsanleitung wertvoller als die Maschine selbst“, so der Bubenhausener, dessen Exemplare fast alle funktionstüchtig sind. Man brauche zum Rechnen oft mathematisch-technisches Verständnis. Zum Beispiel für die Curta, von der er gleich mehre Ausführungen sein Eigen nennt. Die weltweit erste tragbare Rechenmaschine sei von Samuel Jacob Herzstark entwickelt worden. In seinem Privatmuseum hat der 78-Jährige inzwischen über 500 Rechenmaschinen verschiedener Größen und von unterschiedlichem Gewicht deponiert – von 30 Gramm bis 30 Kilogramm. Auch wenn der Zweibrücker die letzten fünf Jahre auf keiner Versteigerung mehr war, so ist die Faszination dennoch ungebrochen. Manchmal trennt er sich von einer historischen Rechenmaschine: „Vieles was ich früher in Mark gekauft habe, lässt sich heute in Euro verkaufen.“

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