Zweibrücken Der Unfalltod überlagert jede Rio-Erinnerung

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ZWEIBRÜCKEN. Hans-Peter Weiß ist taschenweise mit Eindrücken und mit Tausenden von Bildern im Kopf aus Rio de Janeiro zurückgekehrt. Viele, die die Augen des als internationaler Kanu-Schiedsrichter bei den Olympischen Spielen eingesetzten 51 Jahre alten Zweibrückers leuchten lassen. Und der eine Eindruck, der alles überlagert. Weiß war ganz nah dabei beim tragischen Unfalltod des deutschen Kanu-Trainers Stefan Henze. Sozusagen nur zwei Taxis entfernt.

Der Tod des 35 Jahren alten Trainers erschütterte die ganze deutsche Olympiamannschaft. Und Hans-Peter Weiß. Noch unmittelbar vor dem tragischen Unfall war der Zweibrücker mit dem Coach der deutschen Kajak-Einer-Starterin Melanie Pfeifer zusammen. „Die deutschen Trainer wohnten gemeinsam mit uns Kampfrichtern in der Unterkunft beim Deodoro-Olympiapark. An dem Abend fuhren wir zum Deutschen Haus, um einen Geburtstag zu feiern. Auf dem Rückweg nahmen wir drei Taxis. Ich saß mit Thomas Schmidt, dem Olympiasieger von Sydney, im ersten Taxi. Stefan Henze nahm das dritte. Vom Unfall habe ich überhaupt nichts mitbekommen. Und noch lange danach nichts. Ich bekam am folgenden Tag eine SMS aus Deutschland. Unfassbar das alles“, berichtet Weiß. Das dritte Taxi, in dem Henze saß, prallte aus ungeklärter Ursache an einer dreispurigen Straße an einen Lichtmast. Die deutsche Wildwasser-Szene sei sehr familiär, auch Stefan Henze habe er persönlich von Wettkämpfen und Verbandsveranstaltungen gut gekannt. Der Tod Henzes, der drei Tage nach dem Verkehrsunfall eintrat, sei für alle ein großer Schock gewesen, sagt Weiß. Dieses Ereignis überlagert alles Vorherige. Die Kanu-Wettbewerbe – ohne Medaille für die deutschen Starter – waren zuvor schon beendet. Und Hans-Peter Weiß, der für die Planung und die Betreuung des Video-Systems an der Rennstrecke zuständig war, kann sagen: „Es hat alles geklappt.“ Trotz schwieriger Rahmenbedingungen. Wegen starken Windes standen die Kanu-Wettbewerbe im Whitewater-Stadium mehrfach kurz vor dem Abbruch. Die Torstangen flatterten im Wind. Das von Weiß mitentwickelte System, das den Kampfrichtern Aufschluss darüber geben soll, ob die Stangen vom Wettkämpfer oder sonst einem Einfluss bewegt wurden, funktionierte aber. „Aufgrund der Bilder gab es keine einzige strittige Entscheidungen“, berichtet Weiß. Die Entwicklung geht weiter. Und wieder ist der gelernte Kommunikationselektroniker eingebunden. Ein Forschungsprojekt der Universität Dublin ist damit befasst, zu prüfen, ob in die Torstangen Sensoren verbaut werden können, die dann zweifelsfrei einen Torstangenfehler anzeigen. Die Kamera-Beobachtung, sein System, werde aber wohl kaum bis zu den Spielen von Tokio in vier Jahren vollständig zu ersetzen sein. „Die Kampfrichter für die Olympischen Spiele werden ein Jahr vor Beginn bestimmt. Wenn man mich also wieder braucht, sage ich sicher nicht nein“, so Weiß. Rio waren seine dritten Olympischen Spiele. Und wenn auch die Kritik an der Organisation und an dem unfairen Verhalten des brasilianischen Publikums allenthalben vernehmbar ist, bricht Weiß eine Lanze für die Organisatoren. „In meiner Reihenfolge der besten Spiele fügt sich Rio zwischen London, der Nummer eins, und Peking ein. Die Kanuwettbewerbe 2008 in Peking waren extrem abgeschieden. Das war in Rio viel besser. Auch wenn die Zuschauer teilweise erst mit zwei Stunden Verspätung an die Strecke kamen, weil die Sicherheitschecks extrem lange dauerten“, erzählt der Zweibrücker. Aus Rio nimmt er noch die Eindrücke anderer Sportarten, vom Beachvolleyball, Hockey und vom Bahnradsport, mit. Bei Letzterem sah er die Qualifikation zum Mannschaftssprint mit den späteren deutschen Bronzemedaillengewinnerinnen Miriam Welte und Kristina Vogel. Als Pfälzer wurde Hans-Peter Weiß sogleich in den Welte-Familien-Clan aufgenommen, erfuhr so einiges zur Technik und Taktik des Bahnradsports aus allerbester Quelle. „Das ist das ganz Besondere an Olympia. Sportartübergreifend kommt man ins Gespräch, bekommt ganz unmittelbare Eindrücke“, beschreibt der 51-Jährige das Faszinosum. Trotz alledem.

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