Zweibrücken Auf Spuren jüdischen Lebens: Synagoge prägte einst das Stadtbild

Station des Rundganges: An der Judengasse befand sich seit 1833 die erste Zweibrücker Synagoge.
Station des Rundganges: An der Judengasse befand sich seit 1833 die erste Zweibrücker Synagoge.

Am frühen Morgen des 10. November brannte die Zweibrücker Synagoge. Jüdische Mitbürger wurden aus ihren Häusern gezerrt, die Männer ins KZ verschleppt. Wer sich auskennt, findet in der Stadt noch Spuren jüdischen Lebens.

Wenn auch das jüdische Leben hier in der Nazizeit jäh ausgelöscht wurde, finden sich in der Zweibrücker Innenstadt bis heute Spuren. Stolpersteine erinnern an Menschen, die gedemütigt, vertrieben und getötet wurden. Charlotte Glück, Leiterin von Stadtmuseum und -archiv, führte am Mittwochabend ein gutes Dutzend Interessierte zu Stätten in Zweibrücken.

„Sie haben ein Leben gebraucht, um sich mit der Stadt zu versöhnen. Als alte Männer kamen sie zurück“, erzählt die Historikerin Charlotte Glück beim Rundgang. Als Hans Simon und Günter Koch waren zwei Jungs bei einem Kindertransport verschickt und gerettet worden – als Harry Somers und Gérard Koch, beide Künstler, kehrten sie an den Ort ihrer Kindheit zurück. Nicht mit leeren Händen, sondern mit Kunstwerken, die sie der Stadt schenkten. Nur ein Pfosten und eine Gedenktafel in der Kaiserstraße 1 erinnern an das Kaufhaus Simon: Aus diesem Bekleidungsgeschäft stammt Hans; Günter wohnte dort mit seiner Familie zur Untermiete. Auch Buddy Elias, ein Cousin von Anne Frank, kannte Zweibrücken und besuchte die Stadt wieder, in der Kaiserstraße 13. Glück: „Er konnte sich gut an das Haus erinnern, weil er hier öfter bei den Großeltern zu Besuch war.“

Das Eiserne Kreuz schützt ihn nicht

Zwischenstation in der Kaiserstraße 54. Berthold Kahn, im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz, wirkte hier als Rechtsanwalt. Er habe gemeint, dass ihm nichts passieren könne, berichteten später die Angehörigen. Doch weit gefehlt: Kahn durfte das Gerichtsgebäude nicht mehr betreten. Wie viele jüdische Rechtsanwälte wurde auch er boykottiert. Ende der 30er-Jahre folgte er seiner Tochter nach New York, wo er in Armut starb.

Dieser Stolperstein in der Mühlgasse erinnert an den Zweibrücker Emil Dellheim, der in Auschwitz ermordet wurde.
Dieser Stolperstein in der Mühlgasse erinnert an den Zweibrücker Emil Dellheim, der in Auschwitz ermordet wurde.

Zwei Stolpersteine in der Mühlgasse erinnern an Emil und Chana Dellheim. Emil hat das Vernichtungslager Auschwitz nicht überlebt; vom südfranzösischen Gurs aus hatte man ihn dorthin gebracht. Seine Frau Chana Dellheim überlebte den Holocaust, landete aber in der Psychiatrie. „Stolpersteine werden an der letzten frei gewählten Unterkunft verlegt – und auch nur dann, wenn sich Paten dafür finden und die Geschichte der betroffenen Menschen aufgearbeitet wird“, erklärte Glück. So wie beim Stolperstein für Otto Escales in der Karlstraße, dessen Patenschaft der Zweibrücker Rainer Schanne übernahm: Seine Mutter war Haushälterin bei den Escales. Die Zwillinge Felix und Otto Escales hatten in der Karlstraße eine Seiden- und Plüschfabrik; sie waren wohlhabend und lebten in einer Villa in der Hofenfelsstraße. In Zweibrücken waren sie voll integriert, Mitglieder des Alpenvereins, betonte Charlotte Glück. Als einer der Brüder gestorben war, wollte der andere im hohen Alter der Stadt das Fabrikgelände verkaufen. Doch der damalige Oberbürgermeister Ernst Collofong war nicht bereit, einen angemessenen Preis zu bezahlen. Es kam zum Prozess. Die Stadt behielt das Grundstück und brachte dort Zwangsarbeiter unter. Otto Escales starb verarmt bei seiner Schwester in Frankfurt.

Stolzes Bauwerk im maurischen Stil

Zehn Stolpersteine finden sich in der Wallstraße 44 für die jüdische Familie Weis/Löb. Die Patenschaft für die Steine beantragt hatte die heute in Madrid lebende Tochter von Greta Kadden, geborene Gretl Löb, die 1937 mit 18 Jahren aus Zweibrücken in die USA emigriert ist. „Mit 99 Jahren hat sich Greta Kadden bei mir gemeldet und gemeint, ihre Tochter sei jetzt nach Spanien gezogen. Die könnte doch organisieren, dass man in Zweibrücken Stolpersteine für die Familie verlegt“, schilderte Glück den Anruf.

Wie die Historikerin weiß, war das jüdische Leben recht spät in die Stadt eingezogen. Auch wenn es hier schon 1833 eine kleine Synagoge in einem Privathaus gab – im „Judengässchen“, einer kleinen Seitenstraße der Hauptstraße –, begann die Blütezeit erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. 1879 wurde in der Ritterstraße eine neue, große Synagoge im maurischen Stil erbaut. Charlotte Glück: „Das zeigt, dass es sich um eine selbstbewusste jüdische Gemeinde handelte. Die Synagoge war stadtbildprägend. Sie konnte mithalten mit Alexanderskirche und Karlskirche.“

Als etwa 250 Juden in Zweibrücken lebten

In den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 wurde die Synagoge angezündet. Niemand löschte, keiner wurde für die Tat verurteilt. In dieser Nacht, der sogenannten Reichspogromnacht, wurden auch in Zweibrücken jüdische Mitbürger aus ihren Häusern gerissen. Etwa 20 Männer kamen im kleinen Gefängnis in „Schutzhaft“. Dort mussten sie unterschreiben, dass sie freiwillig auf ihre Vermögen verzichteten. Dann wurden sie ins KZ Dachau abtransportiert.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lebten laut Charlotte Glück etwa 250 Juden in Zweibrücken. Dass sie ihrer Stadt eng verbunden waren, sieht man auch am Brunnen auf dem Hallplatz, dem König-Ludwig-Brunnen. Dieser wurde 1913 von dem aus Zweibrücken stammenden jüdischen Seidenfabrikanten Felix Gugenheim gestiftet. Für die großzügige Spende wurde er zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt ernannt. „Das war ein Symbol für die gute Integration des Judentums in den 20er-Jahren“, sagte Glück. Viele Juden verließen Zweibrücken aber auch wieder. 1933 lebten hier 155 Juden; in der Pogromnacht 1938 waren es 86. 1940 gab es in Zweibrücken noch 24 Juden; 16 wurden von Zweibrücken aus am 22. Oktober 1940 ins Lager Gurs abtransportiert, fast doppelt so viele Zweibrücker aus anderen Städten. „Zwei sind damals geblieben, Karolina Weis und ihre Tochter Irma Weis. Karolina war durch ihre amerikanische Staatsbürgerschaft geschützt. Doch als die Mutter starb, wurde auch Irma deportiert.“ Die letzte Zweibrücker Jüdin starb im Konzentrationslager in Riga.

Am Mittwochabend kamen rund 60 Menschen zum Gedenken an die Reichspogromnacht am ehemaligen Standort der Synagoge in der Ritterstraße zusammen. Eingeladen hatten der Ökumenische Arbeitskreis, der Historische Verein Zweibrücken, das Aktionsbündnis Buntes Zweibrücken und die Stadt.

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