Zweibrücken Wo sich Fuchs und Hase treffen

Das Cover malte Bernd Kissel.
Das Cover malte Bernd Kissel.

Es dürfte hierzulande kaum jemanden geben, der nicht das Märchen von Hänsel und Gretel kennt. Oder das von Aschenputtel. Ganz anders sieht es bei Titeln wie „Horneggersch“ oder dem „Märchen vom undankbaren Bauernsohn“ aus. Diese Geschichten sind fast vergessen und werden darum selten vor dem Schlafengehen vorgelesen. Dabei gehörten sie doch früher zum Alltagsleben unserer Heimatregion.

Gunter Altenkirch (geboren 1942), Historiker, Betreiber des Museums des saarländischen Aberglaubens in Rubenheim, und Autor zahlreicher Bücher, hat 118 Märchen aus dem Saarraum gesammelt. Im Gegensatz zu Sagen, denen ein realer Kern innewohnt, sind Märchen reine Produkte der Fantasie. Allerdings wurden die meist von nur wenig gebildeten Menschen erzählten Geschichten selten einer strengen literarischen Klassifizierung unterzogen. Dennoch, ihren Zweck zu unterhalten und oft auch zu belehren, erfüllen sie mit Sicherheit. Dabei stellt Gunter Altenkirch in seinem Vorwort selbst die Frage, ob es überhaupt saarländische Märchen gibt. Also solche Fantasiegeschichten, die ihren Ursprung hierzulande haben. Das allerdings ist kaum der Fall. Vielmehr handelt es sich bei der Sammlung um Märchen, die zu früheren Zeiten erzählt und oft mit einem gewissen Lokalkolorit versehen wurden. Keine Sache nur für Kinder, denn das Märchenerzählen war auch bei Erwachsenen ein beliebter Zeitvertreib. Besonders in der kalten Jahreszeit, wenn die Feldarbeit ruhte und man in der warmen Stube zusammensaß. So hatte man Gelegenheit, ansonsten fremde Welten von Prinzessinnen und Königen kennenzulernen. Oder dem Gespräch von Tieren zu lauschen. Etwa beim Duell zwischen dem Wolf und Hund Hasso, bei dem die Wildsau Borstel und der Kater Priol Adjutanten spielen. Oder in der Geschichte vom Fuchs, der „die Flemm“ hatte und beschloss, in die große weite Welt zu reisen. Doch am Ende finden er und seine Weggefährten, das Eichhörnchen, der Marder und der Uhu, dass es zuhause doch am schönsten ist. Schlau sein, das ist eine Eigenschaft, die immer wieder Füchsen zugesprochen wird. Doch manchmal, wie man im Märchen „Der Fuchs und der Hahn“ erfährt, ist auch das Federvieh recht intelligent. Wie auch immer, nicht nur in den Tiermärchen geht es um moralische Botschaften. Man soll mit dem zufrieden sein, was man hat. Man soll seine Rolle im Leben nicht in Frage stellen. Und man soll anderen Menschen helfen. So lauten immer wieder die Lehren in den Geschichten, ganz gleich, in welcher Umgebung und mit welchen Personen sie handeln. Unterhaltsam sind sie auf jeden Fall, die Märchen, die in alten Zeiten in unserer Region erzählt wurden. Und sie bergen noch weit mehr Informationen als ursprünglich angedacht. Denn man erfährt viel vom alltäglichen Leben der Menschen. Das ist auch das Hauptinteresse von Gunter Altenkirch, der derzeit wohl das größte Wissen um das Leben der Menschen in der Vergangenheit besitzt. Daher hat er nicht nur die Geschichten gesammelt und vor dem Vergessen bewahrt, er hat auch Zeitzeugen befragt. So entsteht beim Lesen des Buches immer wieder der Eindruck, wie das Leben unserer Vorfahren Tag für Tag verlaufen ist. Und wie man ohne moderne Hilfsmittel Wissen weitergeben konnte. Märchen hatten dabei eine wichtige Rolle gespielt. Sie wurden von Generation zu Generation weitererzählt. Eine Tradition, die jetzt dank Gunter Altenkirchs engagierter Arbeit weiterleben kann. Lesezeichen Gunter Altenkirch: „Saarländische Märchen – Eine Sammlung aus dem Saarraum“. Geistkirch-Verlag Saarbrücken, 232 Seiten, mit zwölf schwarz-weißen Abbildungen und Fotos, 24,80 Euro.

Der Autor: Historiker Gunter Altenkirch.
Der Autor: Historiker Gunter Altenkirch.
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