Zweibrücken Von den Puppen fehlt jede Spur

Viele Erinnerungsstücke an die Pfälzische Puppenbühne sind Gerlinde Bönninghaus nicht geblieben.
Viele Erinnerungsstücke an die Pfälzische Puppenbühne sind Gerlinde Bönninghaus nicht geblieben.

«Kaiserslautern.»Grimmig oder streng, lieb oder fröhlich – ausdrucksstark und sehr lebendig schauen sie einen an, die Puppenköpfe, die Fritz Bönninghaus selbst gestaltet hat. Allerdings sind sie nur noch auf vergilbten Fotos und Zeitungsartikeln zu sehen. „Die Puppen sind nicht mehr auffindbar“, sagt Gerlinde Bönninghaus mit Bedauern. Die 81-Jährige breitet auf dem Küchentisch aus, was an Erinnerungen geblieben ist. Und das ist überraschend wenig: Eine Handvoll Fotos zeigen zahlreiche Puppen, Theaterleute bei ihren Vorbereitungen und lachende Kinder im Publikum. Daneben liegt ein Plakat für die Aufführung „Der Vetter aus Dingsda“, eine Eintrittskarte, Programmblätter für „Die drei Wünsche“, „Die Flucht aus der Drachenhöhle“ und „Der gestiefelte Kater“. Solistische Darbietungen aus Schauspiel, Oper und Operette sowie Rezitationen ergänzen ein dreistündiges Programm. Drei Zeitungsblätter sind dabei: Eine Zeitungsseite von 1936 ist dem Puppentheater gewidmet. 1952 berichtet die „Stimme der Arbeit aus Rheinland-Pfalz“ über einen Auftritt der Bühne auf dem Dürkheimer Wurstmarkt und einen Besuch bei Bönninghaus zuhause. Die „Rheinische Illustrierte“ zeigt auf einer undatierten Seite mehrere Bilder und berichtet über die Aufführung von „Muzl, der Kater“. Mehr ist von alldem nicht geblieben. Dabei wurde das Theater mit professionellem Aufwand betrieben. „Als mein Mann drei Jahre alt war, ist die Familie nach Kaiserslautern gezogen“, sagt die Seniorin. Das war 1929. Fritz Bönninghaus wurde 1889 in Köln geboren, seine Frau Elisabeth stammte aus Dresden. Aus Köln hatte Bönninghaus das Konzept des Hännesjes-Theaters mit in die Pfalz gebracht. Nach einem schwierigen Anfang mit Unterbrechungen, wie es im Bericht von 1936 heißt, wurde die Bühne erfolgreich dem Landestheater Saarpfalz in Kaiserslautern angegliedert und konnte dessen Infrastruktur nutzen. Dort hatte das „Pfälzische Seppchentheater“ eine eigene Werkstatt. Ein undatiertes Programm nennt die Parkstraße 27 als Geschäftsadresse. Schauspieldirektor Bönninghaus schrieb viele seiner Stücke selbst, übrigens in Hochdeutsch, und gestaltete die Puppenköpfe aus Pappmaché. Stockpuppen waren es, deren Körper an Stangen geführt und deren Arme und Beine unabhängig bewegt wurden. Detailliert gestaltete Gesichter und Kostüme sind auf den Bildern zu sehen. „Die Schwiegermutter hat alle Kleider selbst genäht“, berichtet Gerlinde Bönninghaus. Bühnenbild, Requisiten und Bühnentechnik entstanden in der Werkstatt. Für Gastspiele in der Umgebung besaß die Truppe einen eigenen Tross aus Gerätewagen und Omnibus. Volksfeste und Messen waren beliebte Auftrittsorte. Zum Spielplan gehörte auch „Pfälzers Höllen- und Himmelfahrt“ von Paul Münch, das eigens für die Puppenbühne geschrieben wurde. Weit über 100 000 Besucher zählte das Theater pro Jahr, heißt es im Zeitungsbericht weiter. Wie ernsthaft Bönninghaus’ Anspruch an die Kunst seines Puppentheaters war, geht aus einem Essay hervor, in dem sich der Schauspieldirektor in der Tradition von Goethe, Kleist und Theodor Storm sieht. Mit Ausnahme der sechs Kriegsjahre existierte die Bühne bis nach 1952. Die Puppen hatten den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden. „Mit der Neukonstituierung des Pfälzischen Verbandes für freie Volksbildung wurden auch wieder die Puppenspiele ins Leben gerufen“, heißt es in dem Artikel „Besuch bei Pole Poppenspäler“ von 1952. Fritz Bönninghaus führte die Bühne wieder in Eigenregie, musste die Leitung dann aber wegen schwerer Erkrankung abgeben. Die Puppen wurden daraufhin in der Landesgewerbeanstalt Kaiserslautern angefertigt und von Elisabeth Bönninghaus bemalt und bekleidet. Fritz Bönninghaus wird zitiert mit der Klage: „Man findet kaum Schauspieler, die noch die Kunst der Marionettenführung beherrschen und vor allen Dingen die Liebe zum Puppenspiel aufbringen.“ 1957 starb Fritz Bönninghaus. „Das alles war vor meiner Zeit“, erklärt Gerlinde Bönninghaus, mit der Rolf Bönninghaus in zweiter Ehe verheiratet war. Heute bedauert sie, dass in ihrer Familie später so wenig über den Betrieb der Puppenbühne erzählt wurde. „Die Puppen, die Requisiten, die Bühnenbilder – die ganze Ausstattung muss doch irgendwo geblieben sein. Wer weiß? Vielleicht liegt das alles noch irgendwo verpackt auf einem Dachboden“, sinniert die 81-Jährige. Ein versunkener Schatz, den es vielleicht noch zu heben gilt.

Die Stockpuppen wurden an Stangen geführt und bewegt.
Die Stockpuppen wurden an Stangen geführt und bewegt.
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