Zweibrücken Die Opa-Flur-Kommune neben der Hauskapelle

Anregender Plausch nach dem Konzert in der Zweibrücker Festhalle (von links): Max Raabe, Hans-Joseph Britz vom Homburger Stadtar
Anregender Plausch nach dem Konzert in der Zweibrücker Festhalle (von links): Max Raabe, Hans-Joseph Britz vom Homburger Stadtarchiv und der Zweibrücker Designer Thomas Motzenbäcker.

Normalerweise warten zahlreiche Fans am Ende seiner Konzerte und bitten um Autogramme. In Zweibrücken war dies am Samstag nicht möglich, weil das Team um Max Raabe schnell wieder zum nächsten Auftritt musste. Dennoch schaffte ich es, meinen Schulkameraden Max Raabe, zusammen mit meinem Freund, dem Zweibrücker Künstler und Designer Thomas Motzenbäcker, zu treffen. Anfang der 80er Jahre habe ich zusammen mit Max Raabe, der eigentlich Matthias Otto heißt, im westfälischen Bad Driburg nahe Paderborn ein katholisches Internat besucht, das Klemens-Hofbauer-Kolleg. Das war eine Spätberufenenschule, auf der im Beruf stehende Männer aus ganz Deutschland das Abitur nachholen konnten, um dann zu studieren. Man sang gemeinsam in der Schola und im Chor und begegnete sich öfters. Ich weiß noch, dass Max Raabe mir half, ein kleines Museum einzurichten, in dem die Geschichte des Hauses dargestellt wurde. Immerhin brachte die Schule über 1000 Priester hervor. Ich sehe noch sein Zimmer vor mir: ziemlich das kleinste, in der sogenannten Opa-Flur-Kommune direkt neben der Hauskapelle. Er stellte keine Ansprüche, war nicht eingebildet. Im Gegenteil: Man konnte mit ihm lachen, er erzählte gerne mit Witz und hintergründigem Humor. Die Mitschüler mochten ihn. Auf einem Foto sieht man Max mit dem vor drei Jahren in Afrika tödlich verunglückten priesterlichen Freund Horst Klabes, der sein Mentor war. Damals hatte man ja nicht viel Geld und so war ich unschlüssig, ob ich mir auf dem Driburger Flohmarkt ein altes Electrola-Grammophon kaufen sollte. Max ermutigte mich zum Kauf. Es steht noch heute in meinem Wohnzimmer und wird benutzt. Damals legten wir abends die einzige Schallplatte auf: „Rosamunde, schenk mir dein Herz und sag ja…“ und stellten das Grammophon auf das Geländer des Balkons. Es schallte über das ganze Schulgelände, erst recht, als Max lautstark mitsang – und mancher davon wach wurde. Es gab im Jahreslauf des Internats zwei große Hausfeste: Zum einen das Patronatsfest des Heiligen Clemens Maria Hofbauer Mitte März und ein Herbstfest. Hier trat Max, der spätere Begründer und Leiter des Berliner Palastorchesters, mit einem Schulfreund aus Lünen auf. Beide in Frack und Zylinder, er als Sänger, sein Kollege am Piano. Lange Zeit sang er auch im Kirchenchor und der Kantorei seines Heimatortes, oft solo in der Christmette an Heiligabend. Die westfälischen Bauern und sein Elternhaus haben ihn gelehrt, das Leben zu meistern, erzählte Max. Und: Auch wenn man eine Krawatte trägt, kann man ein Chaot sein. Er hat sich seinen Humor und seine Leichtigkeit behalten. Der strenge Frack bei seinen Auftritten ist keine Nostalgie. Er erinnert an die gesellschaftlichen Aufbrüche der „Goldenen 20er Jahre“, aber Max lebt nicht in der Vergangenheit. Ganz im Gegenteil. Er lebt sehr bewusst. Seine Israel-Tournee mit dem Palastorchester nahm Sönke Wortmann zum Anlass, einen sehr berührenden Dokumentarfilm zu drehen. Max liebt das Wort, das gesungene und das gesprochene. Es ist sein kluger Umgang damit, seine Schlagfertigkeit und Doppeldeutigkeit, die ihn zum Publikumsliebling machen. Am Samstagabend, als wir uns nach dem Konzert in der Zweibrücker Festhalle unterhielten, erinnerten wir uns an die gemeinsame Schulzeit und an ehemalige Kollegen, die ihn oft und immer wieder nach Konzerten aufsuchen. Er freut sich jedes Mal. Max machte vor seinem Auftritt einen Spaziergang durch die Zweibrücker Innenstadt und fragte mich, weshalb es so wenig alte Gebäude gäbe. Ich erklärte ihm, dass im März 1945, kurz vor Kriegsende, Zweibrücken stark bombardiert worden sei und sehr viel von seiner ursprünglichen historischen Bausubstanz verloren habe. Max fragte mich, was ich zurzeit mache. Ich erzählte, dass ich im Bitscherland, ganz nah an der Grenze in einem Dorf namens Rimling, ein altes Haus gekauft habe und dahin ziehen wolle, weil dort alles etwas bodenständiger und gemächlicher ist. Dort wird gerade ein großes Fest gefeiert. Das Dorf hat nur knapp 600 Einwohner, aber zum Fest kommen an die 2000. Das interessierte dann auch Max’ Partner am Flügel, Christoph Israel. Der meinte: „Da haben Sie mich richtig neugierig gemacht.“ Und ich versprach, ihm Fotos zu schicken. Leider war die Zeit zu knapp, mehr zu erzählen, das Ganze spielte sich im Stehen ab, denn das vierköpfige Team musste weiter. Wir tranken noch ein Park-Bräu und verabschiedeten uns.

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