Speyer Zum 90. Geburtstag: Roger Norrington und seine Konzerte in Speyer

Nicht in Speyer, sondern 2016 in Frankenthal mit dem Züricher Kammerorchester war der letzte Auftritt von Sir Roger in der Pfalz
Nicht in Speyer, sondern 2016 in Frankenthal mit dem Züricher Kammerorchester war der letzte Auftritt von Sir Roger in der Pfalz.

Seinen Abschied vom Pult hat er am 18. November 2021 schon genommen, der englische Dirigent Sir Roger Norrington. Am 16. März wird der in Oxford geborene Maestro 90 Jahre alt.

Wenn von historischer Aufführungspraxis und historisch informiertem Musizieren die Rede ist, fällt sehr oft der Name des fünf Jahren älteren Nikolaus Harnoncourt. Doch der ging zunehmend andere, eigene Wege. Der große Apologet und Prophet dieses „funny old way“ (O-Ton Sir Roger 2002 bei der Vorstellung des Programms zum Stuttgarter Musikfest) in der zweiten Hälfte des 20. und im beginnenden 21. Jahrhunderts ist Sir Roger Norrington. Von 1998 bis 2011 war er Chefdirigent des damaligen SWR Radio-Sinfonieorchesters Stuttgarts. In dieser Funktion trat er mehrfach bei den Schwetzinger SWR Festspielen auf, im Rokokotheater des Schlosses – und vier Mal in Speyer, drei Mal im Dom und einmal in der Gedächtniskirche. Im Dom erklangen unter seiner Leitung Bruckners sechste Sinfonie und dessen Te Deum, das Requiem von Berlioz sowie „Die sieben letzten Worte“ von Haydn in der Oratorienfassung, dazu die „Fantasia on a Theme by Thomas Tallis“ von Ralph Vaughan Williams. In der Gedächtniskirche standen das Requiem von Mozart in der Fassung von Robert Levin und Vokalwerke von Schütz auf dem Programm.

Historisch informiertes Musizieren

Damit war hier eine große Bandbreite seines Repertoires zu erleben, denn mit Schütz war er seit seiner Jugend vertraut. Auch als ausgebildeter Sänger. Eine seiner ersten Gründungen war die des Schütz Choir of London. Mit diesem und den London Classical Players gestaltete er in den 1970er- und 1980er-Jahren epochale Aufnahmen. Er trat dann aber auch an, mit konventionellen Orchestern auf modernen Instrumenten das klassisch-romantische Repertoire in historisch informierter Weise zu erarbeiten. Das tat er vor allem in seinen 13 Jahren in Stuttgart, wo er mit dem Orchester den längst legendären weitgehend vibratolosen „Stuttgart Sound“ kreierte. Sein Credo: All das zu realisieren, was wir über die zeitgenössische Aufführungspraxis der Musik vom 17. bis frühen 20. Jahrhundert wissen, um die Werke so zu hören, wie ihre Komponisten sie gehört haben und hören wollten. Darüber hinaus gebe es noch genug Raum für die eigene Kreativiät des Interpreten.

Sir Roger hat unter anderem zwei Mal mit einem Zyklus der neun Beethoven-Sinfonien, in London und in Stuttgart, Maßstäbe gesetzt. Aber auch seine Mahler- und Bruckner-Deutungen vermitteln wesentliche Einsichten über die authentische Wiedergabe dieser Musik. Gerade im aktuellen Bruckner-Jahr ist die Beschäftigung mit Sir Rogers Aufnahmen der Sinfonien 3, 4, 6, 7 und 9 ein großer Gewinn. Und glücklicherweise war eine davon im Mai 2001 auch live in Speyer zu erleben gewesen.

Very british

Es war immer ein großes Vergnügen, ihn in Konzerten mit seinem teilweise unorthodoxen Dirigierstil, bei animierenden Proben und nicht zuletzt im persönlichen Gespräch zu erleben. Sir Roger ist very british, nicht zuletzt mit seinem Humor. Er gehört ohne Frage zu den ganz großen Musikerpersönlichkeiten unserer Zeit.

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