Speyer Zimmertheater: Abseits von Pop und dennoch eingängig

Die in Speyer lebende Brasilianerin Ignez Carvalho ist nicht glücklich: Mit dem Wahlsieg von Jair Bolsonaro rückt Südamerika weiter nach rechts, nachdem bereits in Argentinien, Paraguay, Chile und Kolumbien Männer mit neoliberalen Profilen an die Macht gelangt sind. Doch auch Bolsonaro wird es nicht schaffen, den kulturellen Reichtum zu zerstören, von dem Carvalho ein Stück ins Speyerer Zimmertheater transportiert hat.

Mancher assoziiert Brasilien lediglich mit Samba. Die Vielfalt ist jedoch deutlich größer. Nur noch Kennern bewusst ist die Phase der späten 50er und frühen 60er Jahre, als der Bossa Nova weltweit ausstrahlte und auch Einfluss auf den zeitgenössischen Jazz in den USA ausübte. Während der Militärdiktatur emigrierten viele Musiker aus Brasilien, und aus dieser Zeit stammte gleich der Auftakt des Abends. Mit Jose Pedro haben die Saitenkünstler Ignez Carvalho und Johannes Deffner einen sehr gefühlvollen Perkussionisten neben sich, der außer der Cajon noch allerhand perkussive Elemente vor sich aufgebaut hatte. Das wirkte auf den ersten Blick wie der Inhalt einer Rumpelkammer, jedoch lassen sich auch daraus interessante Klänge erzeugen; Glockenspiel, Muschelschalen, Kastagnetten, alte Schlüssel, herkömmliche Toms und Becken rundeten sein Arsenal an Klangkörpern ab. Jedoch stand nicht nur die Melancholie über frühere und vielleicht bald wiederkehrende politische Unterdrückung auf dem Programm, sondern auch der eine oder andere lebhafte Choro. Diese Musik entstand aus der Verschmelzung afroamerikanischer Elemente mit den von europäischen Einwanderern Ende des 19. Jahrhunderts mitgebrachten Walzer-, Polka- und Mazurkaklängen. Meist in gedämpftem Tempo kann diese Stilrichtung auch lebhaft und fröhlich daherkommen. Das Programm bestand aus einer ausbalancierten Mischung aus Eigen- sowie Fremdkompositionen. Mit „Libèlula“ zeigte Carvalho, dass sie hervorragende Musik schaffen kann – abseits von Pop und dennoch sehr eingängig.

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