Speyer „Stress am Band macht krank“

Stress, Leistungsdruck und der hohe Krankenstand waren Thema bei der Betriebsversammlung im Daimler-Lastwagenwerk am Donnerstag. Gewerkschaft und Betriebsrat fordern Entlastung durch mehr Personal. Mitarbeiter berichteten von Auswirkungen auf ihren Arbeitsalltag.

Im Januar wurde noch heftig über die Zukunft der 450 Leiharbeiter im Daimler-Lastwagenwerk diskutiert. Damals sollten die Verträge nur bis Ende März verlängert werden (wir berichteten). Inzwischen arbeiten 520 Leiharbeiter im Werk, ihre Verträge laufen bis 30. September 2016. „Sie kippen eine kurze Entspannung in überkochende Suppe“, sagte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Neustadt, Ralf Köhler, nach der Betriebsversammlung am Donnerstag. Der Druck habe zugenommen, deshalb hätte die Betriebsversammlung auch unter dem Motto „Stress und Leistungsdruck machen krank“ stehen können, meinte er. Im Bericht der Geschäftsleitung sei eine Zunahme des Krankenstandes im Wörther Werk seit 2014 aufgezeigt worden, sagte Köhler. Im Jahr 2014 habe es einen Krankenstand von 8,8 Prozent gegeben, 2015 habe er bei 9,1 Prozent gelegen. Im Mai 2016 liege er schon bei 9,7 Prozent. Im Vergleich zu anderen Lastwagenwerken in Deutschland, zum Beispiel MAN oder Scania, sei der Krankenstand im Werk Wörth am höchsten. „Die dauernden Effizienzprogramme und Kosteneinsparungen haben eine spürbare Verdichtung der Arbeit zur Folge“, so Köhler. Dies gehe inzwischen für einige Mitarbeiter über die Belastungsgrenze hinaus. Dazu gehöre auch, dass Überstunden offensichtlich immer mehr zum Arbeitsalltag gehören. „Wir verfolgen die Kurve“, sagte Thomas Zwick, Betriebsratsvorsitzender im Werk. Es gehe zwar langsam, aber die Tendenz zeige nach oben. Viele der Arbeitnehmer im Werk Wörth hätten deutlich mehr als 100 Überstunden, einzelne sogar mehr als 300 Überstunden. Die reguläre Betriebsversammlung am Donnerstag sei sehr gut besucht gewesen, berichteten Köhler und Zwick. Dabei habe es auch Redebeiträge aus der Belegschaft gegeben, die den Druck deutlich gemacht hätten. „Manche schaffen es nicht einmal, aufs Klo zu gehen“, sagte Köhler. Ein Mitarbeiter habe von Produktionsstillständen berichtet, weil Kollegen in bestimmten Bandabschnitten krankheitsbedingt fehlten. Dann würden aus den umliegenden Abteilungen Leute abgezogen, die dann wiederum dort fehlen. Manchmal arbeiteten dann Leute ohne die entsprechende Qualifikation auf einer Stelle und hielten dann die Geschwindigkeit am Band nicht aus, kritisiert Köhler. Freischichten, Zeitguthaben und Urlaube könnten teils nicht mehr genommen werden, das wirke sich auch die Gesundheit aus. „Wenn die Arbeit krank macht, dann kann man das als Gewerkschafter nur kritisch sehen“, sagte Köhler. Zwar biete das Unternehmen seit Jahren für besonders belastete Mitarbeiter Gesundheitsseminare an. Dabei würden die Kosten für Reise, Unterkunft, Seminar und so weiter zwar übernommen – die Mitarbeiter müssten aber ihre Freizeit einbringen. Doch bleibe das Problem der zu niedrig bemessenen Stammbelegschaft bestehen, so der Gewerkschafter. Im Lkw-Montagewerk Wörth sind zirka 6000 Mitarbeiter in der Produktion beschäftigt, davon sind rund 500 Leiharbeiter. In die vom hohen Krankenstand betroffenen Gruppen müsse Personal rein, um Auswirkungen auf andere Gruppen zu verhindern, fordert auch der Betriebsratsvorsitzende Zwick. Zudem müsste es bei den Leiharbeitern Perspektiven geben. Die Werksleitung in Wörth sei zwar gewillt, etwas zu tun, betonte Zwick. Aber er fordert: „Diese Ergebnisse müssen auch für die Belegschaft spürbar werden.“ |tnc

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