Speyer Mit Punk-Attitüde im Kinderschwimmbecken

„Ich bin immer ganz nah dran an ihrem Wahnsinn geblieben“, sagt Heiss-Sängerin Antje Schumacher im Rückblick. Ab 2008 hatte die ein Jahr zuvor gegründete Gruppe etliche Auftritte in der Region, den bisher letzten 2013 vor rund 1000 Zuschauern bei „Das Fest“ in Karlsruhe. „Im Prinzip gibt’s uns immer noch, aber das Projekt ruht im Moment“, bedauert der Gründer, Kopf und Gitarrist von Heiss, Stefan Obermann aus Speyer. Alles fing mit der Privatfete einer Bekannten an, „bei der wir den ganzen Abend alte Schallplatten gehört haben“, erinnert sich Obermann. Darunter waren auch die aus seiner Sicht besten Hagen-LPs „Nina Hagen Band“ und „Unbehagen“. Als „Fan des Kunstwerks Nina-Hagen-Band“, aus der später Spliff („Carbonara“) hervorging, sei ihm dann die Idee zum Projekt „Heiss“ gekommen. Drei Monate mühseligster Kleinarbeit habe es ihn gekostet, die Songs Ton für Ton von den Platten herunterzuhören. „Es gab ja keine Noten“, seufzt Obermann und zeigt anhand eines dicken Stapels eigenhändig beschriebenen Notenpapiers, wie komplex und anspruchsvoll die Arrangements der Nina-Hagen-Band rund um Keyboarder Reinhold Heil waren. „Meines Wissens gibt es sonst keine Coverband, die so was jemals in Deutschland gemacht hat“, sagt Obermann. Trotz mehrerer Versuche habe er von Hagens Produktionsfirma nie eine offizielle Genehmigung zum Covern erhalten, so Obermann – aber auch keinen Widerspruch bekommen. Das genügte ihm, das „Nischenprojekt“ weiter anzuschieben. „Im Prinzip darf man ja alles covern.“ Doch dann stellte sich das nächste Problem: „Wer soll das singen?“ Schließlich habe die jüngere Nina Hagen einen Stimmumfang von vier Oktaven gehabt. Auf der Suche nach jemandem, „der verrückt genug ist und es in der Persönlichkeit hat“, stieß er durch Tipps von Musikerkollegen auf Antje Schumacher aus Karlsruhe. Nina Hagen zu singen, sei schon eine Herausforderung, bestätigt die Sängerin. Eine, die bedeute: „Man traut sich was.“ In ihrer ersten Band habe sie als 16-Jährige bereits Hagen-Songs im Repertoire gehabt. „Eins zu eins covern“, das war Obermanns Vorgabe. So habe sie Klassiker wie „TV-Glotzer“, „Rangehn“, „African Reggae“ oder eben „Heiß“ immer so nah wie möglich am Original gesungen, also ganz nach Hagens Vorbild mit den wildesten Stimmbandverrenkungen herausgekiekst oder mit kraftvoller Opernstimme herausgeschmettert. Mit Frank Landes aus Frankenthal (Bass), Tobi Zeller aus Karlsruhe (Drums) und Olli Taupp aus Heidelberg (Keyboard) war die Tribute-Band schließlich komplett. Ihren ersten Auftritt hatten Heiss am 28. März 2008 im Kinderschwimmbecken von Speyers Altem Hallenbad. „Das war ein toller Sound“, sagt Obermann im Rückblick mit einem Lächeln. Für sie sei jeder Auftritt mit Heiss sehr aufregend gewesen, ergänzt Schumacher. Denn „das Publikum konnte alle Texte auswendig, wirklich alle“. Dadurch habe sie sich schon ein bisschen unter Druck gesetzt gefühlt und immer wieder gedacht: „Mach jetzt bloß keinen Fehler“. Andererseits sei es sehr reizvoll, Hagen-Songs zu singen: „Das Opereske kannst du ja sonst nirgends einsetzen“, sagt die 49-jährige Profimusikerin, die auf jahrelangen klassischen Gesangsunterricht zurückgreifen kann. Zwar habe sie die Berliner Sängerin leider nie persönlich kennengelernt, doch mehrfach ihre Konzerte besucht. Sie finde Hagen immer noch toll, „obwohl ihre Stimme an Höhe verloren hat“. Allerdings ist Nina Hagen für Schumacher inzwischen etwas zu esoterisch geworden. „Sie hat sich so ein bisschen selbst demontiert.“ Früher habe die Sängerin in ihren Augen viel mehr Power gehabt und „war toll politisch“. Weniger toll fand Schumacher das zeitintensive Schminken und Frisieren vor jedem Heiss-Auftritt: „Der Friseur hat so lange an mir rumexperimentiert und toupiert, bis mein Kopf aussah wie explodiert und die Leute nicht mehr glaubten, dass das meine echten Haare sind“, erzählt die Sängerin. Während Obermann mit schwarzer Strubbelperücke, Muskelshirt und gestreifter Punkerhose auf die Bühne ging, musste bei Schumacher ein durchlöchertes schwarzes T-Shirt, mit Sicherheitsnadeln an einem weißen T-Shirt darunter befestigt, für die nötige Punk-Attitüde reichen. Obermann gibt es zu: Er würde Heiss sehr gerne wiederbeleben. „Ich habe da viel mehr Geld und Energie reingesteckt als rauskam, dabei war es von uns allen so eine große Leistung.“

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