Speyer Mindestlohn: Hart getroffen

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Nicht überall werden bisher in Speyer 8,50 Euro pro Stunde netto bezahlt. Wenn ab Neujahr der Mindestlohn gilt, sind also teilweise Änderungen nötig. Kunden werden das etwa bei den Öffnungszeiten der Brezelhäuschen merken. Taxi-Betriebe bangen.

5 bis 6 Euro netto bezahlte die Brezelbäckerei Berzel bisher den rund 15 Frauen und Männern, die in den vier Glashäuschen am Postplatz und in der Maximilianstraße die Schichten übernahmen. „Es trifft uns hart“, sagt Wolfgang Vick, Schwiegersohn des Seniorchefs, Bäcker und Fahrer im Familienbetrieb. Am Neujahrstag beginne für diesen eine Probephase, wie er die Zusatzkosten auffangen könne. Als Sofortmaßnahme bleibe das Häuschen am Postplatz – zwar der größte, allerdings umsatzschwächste Standort – vorläufig geschlossen. Die anderen würden morgens erst um 9 oder 9.30 Uhr statt bisher um 8.30 Uhr geöffnet, so Vick auf Anfrage. „Die erste Stunde ist recht schwach beim Umsatz.“ Auch die Preiserhöhung vor wenigen Monaten von 50 auf 60 Cent für die normale Brezel stehe im Zusammenhang mit den neuen Kosten. Sie sei nach acht Jahren jedoch ohnehin überfällig gewesen, so Vick. „Sie ist relativ klaglos akzeptiert worden.“ Das Familienunternehmen setze darauf, nach den schwachen Winterwochen auch am Postplatz wieder öffnen zu können: „Wenn es passt, sind wir da schnell und flexibel“, so Vick. Dafür müsse sich aber der Umgang mit dem Mindestlohn eingespielt haben. „Wir hoffen, dass wir nicht alles in der Familie auffangen müssen“, sagt Vick. Er hofft, dass das Brezelhäuschen am Kaufhof künftig das Geschäft vom Postplatz dazubekommt. Die weiteren Verkaufsstände sind am Zugang zum Kornmarkt, auf Höhe der „Nordsee“ und am Wochenende auch am Stadthaus. Vick bewertet den Mindestlohn eher kritisch, weil er seine Branche besonders stark betroffen sieht, andere hingegen Ausnahmen geltend machen dürften. Er hofft, dass die Bäckerinnung auf politischem Weg noch Verbesserungen herausschlagen kann. Vielen Älteren unter seinen Mitarbeitern gehe es gar nicht um den Maximalverdienst, sondern darum, eine Beschäftigung zu haben. Bei jüngeren Verkäufern, die teilweise von der Arbeitsagentur geschickt würden, sei bislang eine hohe Fluktuation zu beklagen: „Manche kommen nur zwei Tage.“ Vielleicht werde das ja mit dem Mindestlohn besser, wägt Vick ab. Große Risiken für Speyerer Taxibetriebe wegen des Mindestlohns sieht Unternehmer Peter Halling. Er sieht große Veränderungen auf tarifgebundene Unternehmen, Fahrer und Fahrgäste zukommen. Kostensteigerungen könnten in der Branche nicht so einfach weitergegeben werden, finanzielle Einbußen seien die Folge. Für ihn bedeute Mindestlohn eine monatliche Mehrbelastung von bis zu 2000 Euro, sagt Halling. „Das ist unternehmerischer Selbstmord“, kritisiert er die politische Entscheidung. Einen Aushilfsfahrer habe er bereits entlassen, von einem seiner drei Fahrzeuge müsse er sich voraussichtlich trennen. Die von den sieben Speyerer Taxiunternehmen beantragte Tariferhöhung trete frühestens ab April in Kraft, weist Halling auf noch nicht abgeschlossene Verhandlungen mit der Stadtverwaltung hin. „Wer bis dahin überlebt, steht in den Sternen.“ Keine Probleme mit dem Niedriglohn habe das Handwerk, so auf Anfrage Kreishandwerksmeister Hans Ziegle: „Alle von uns betreuten Innungen liegen mit ihren Tariflöhnen über dem gesetzlichen Mindestlohn.“ Ziegle, der als geschäftsführender Gesellschafter der Ludwigshafener Ziegle Dienstleistungsgruppe und als Mitglied des Vorstandes im Bundesinnungsverband des Gebäudereinigerhandwerks tätig ist, weist auf einen Unterschied zwischen dem ab 2015 gültigen allgemeinen Mindestlohn und den schon gültigen gesetzlichen Branchen-Mindestlöhnen hin: Neben dem Bauhaupt- und Nebengewerbe gebe es die unter anderem auch für die Gebäudereiniger. Die gesetzlichen Branchen-Mindestlöhne betrügen dort vom 1. Januar an zwischen 9,55 und 12,65 Euro je nach Lohngruppe. Probleme sieht Ziegle für seine Branche dennoch, und zwar bei allen Kunden, die in ihren eigenen Tarifverträgen für sogenannte „einfache Tätigkeiten“ niedrige Einstiegslöhne anböten. Hierzu zähle der öffentliche Dienst wie Kommunen, kirchliche Träger und die Kirchen mit Immobilien, Krankenhäusern, Altenheimen, Caritas, Diakonie. „Das Problem liegt eigentlich nicht in der Lohnhöhe, sondern in der Verwaltung“, sagt Ulrich Deisinger, Vorstandsmitglied im Speyerer Hotel- und Gaststättenverband und Inhaber des Hotels „Löwengarten“: Arbeitgeber seien nun verpflichtet, die Arbeitszeiten zu erfassen und zwei Jahre lang vorzuhalten. „Dies ist für viele Betriebe ein Problem. Schwieriger wird es auch für Betriebe, die ihren Arbeitnehmern Umsatzbeteiligung zahlen.“ In seinem Haus werde seit Langem über dem Mindestlohn gezahlt. (pse/kya/ell)

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