Speyer Kopfschütteln wird zur typischen Bewegung

Enttäuscht: die Bewohner des Awo-Seniorenhauses nach dem Ausscheiden der DFB-Elf bei der WM in Russland.
Enttäuscht: die Bewohner des Awo-Seniorenhauses nach dem Ausscheiden der DFB-Elf bei der WM in Russland.

Fußball vereint Generationen. Das haben knapp 40 Bewohner des Awo-Seniorenhauses „Burgfeld“ gestern Nachmittag gespürt. Gemeinsam mit Betreuern und einem Neunjährigen erlitten sie das vorzeitige Aus der deutschen Nationalmannschaft aus der laufenden Weltmeisterschaft. 99 Minuten zwischen Hoffen und Bangen.

In Rollstühlen, mit Rollatoren und zu Fuß finden sich die Senioren pünktlich im Veranstaltungsraum ein. Betreuungsleiterin Susanne Vechtel und ihre Kolleginnen laufen im Nationaltrikot ein. Sektgläser für die erwartete Jubelfeier sind gerichtet, Saal und Tische in deutsche Farben getaucht. Wer will, kann sie sich auch ins Gesicht stempeln lassen. Bier und Salzgebäck stehen bereit. Jeder hat seinen Tipp für das Abschneiden der Deutschen im letzten WM-Gruppenspiel abgegeben. Zwischen 12:2 für und 0:1 gegen Deutschland ist alles dabei. Die Hymne singt jeder mit. Auch Gerda Zimpelmann. „Ich bin deutsch und für Deutschland“, stellt sie sich vor. Muss sie gar nicht. Ihr schwarz-rot-goldener Hut spricht Bände. Die Seniorin hat zwar auf 3:1 getippt, sagt, „Der Bessere gewinnt“ und hofft, dass die Deutschen die Besseren sind. Anpfiff. Es wird mucksmäuschenstill im Saal. „Hilfe“, ruft eine Bewohnerin, als Toni Kroos den ersten Freistoß für Deutschland ausführt. Kollektives Stöhnen begleitet die winzige Torchance in der 28. Minute. Kopfschütteln wird zur typischen Bewegung. Ecke, Hoffnung, Verzweiflung, Fehlpass, Foul, Freistoß, Ecke. Eine Seniorin hat sich ausgeklinkt. Ist eingeschlafen... Halbzeit. Die Pause hat die Sorgenfalten auf den Stirnen der Zuschauer nicht weggewischt. „Wenn das nichts mehr wird, bin ich ab sofort für England“, sagt Vechtels Kollegin Tine Kipper. Schließlich ist ihr Mann Brite. Das 1:0 für Schweden hilft der Stimmung im Saal nicht auf die Beine. Aber noch ist ja nichts verloren. Unruhe in der 61. Minute. Frauen greifen sich ans Herz. Doch kein Tor. Im Spiel Schweden gegen Mexiko steht es jetzt 2:0. 67. Minute: Wieder fast ein Tor für Deutschland. In der 71. Minute trifft Mario Gomez den Ball nicht. Erneut kollektives Kopfschütteln der Speyerer Zuschauer. Zimpelmann setzt den Deutschlandhut ab. Den südkoreanischen Torwart finden alle gut. Nachspielzeit. Tor für Südkorea. Entsetzen. Abseits? Kurzes Aufatmen. Doch kein Abseits. Deutschland ist raus. Ein Mann winkt ab und verlässt den Raum. Das 2:0 sieht er nicht mehr. Hilde Büllemeyer bleibt bis zum bitteren Ende. Seit 16 Jahren habe sie kein Fußballspiel mehr gesehen, sagt sie. „Und jetzt das.“ Die Sektgläser bleiben leer, die Preise liegen. Auf 0:2 hat niemand getippt.

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