Speyer Kein Platz für leise Töne

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Als Kooperationsprojekt von Palatina Klassik und dem Staatlichen Konservatorium Kazan, Russland, konzertierten die Ensembles beider Institutionen – Vokalensemble und Philharmonischer Chor an der Saar sowie Chor und Orchester der russischen Hochschule – am Samstagabend im voll besetzten Lichthof des Historischen Museums der Pfalz in Speyer.

Ein ganzes Heer potenter Unterstützer – unter anderem Goethe-Institut und Auswärtiges Amt – hatte der Leiter am Pult, Leo Krämer, für sein Großprojekt mit weiteren Konzerten in der Region und in Italien rekrutiert. „Schuld und Sühne, Versöhnung und Freundschaft“ lautete die sinngebende Überschrift. Die Auswahl der Stücke – zumindest für die Gesamtbesetzung von geschätzt um die 150 Akteure – war ganz auf Großartigkeit und Ereignischarakter ausgelegt, was Krämer in seiner ausführlichen Antrittseloge auch explizit beschwor. Hauptwerk war das „Stabat Mater“ von Gioachino Rossini, jenes geistliche Spätwerk, das den Opernkomponisten Rossini zwar keineswegs verleugnet, aber unter der Oberfläche unzählige tief einfühlsame, textdeutende Details birgt. Denen spürte Krämers auf Brillanz und vehemente Klangpracht ausgerichtete Lesart nur bedingt nach. Allzu oft animierte er das hochkarätig agierende, üppig sinfonische besetzte Orchester des Kazaner Konservatorium zu unangemessenen Phonstärken. Auch das exzellent aufgestellte Solistenquartett mit Ludmila Slepneva (Sopran), Susanne Schaeffer (Mezzosopran), Oscar de la Torre (Tenor) und Vinzenz Haab (Bass) hatte wenig Spielraum für dezidierte Gestaltung und gelegentliche „leise“ Töne. Große Oper wurde da zelebriert, Kraftanstrengungen, deren sich die im italienischen Fach durchweg versierten Protagonisten mit Bravour und wuchtigen Spitzentönen entledigten. Die Klage und verheißungsvolle Hoffnung der Schmerzensmutter Maria fand immerhin Ausdruck in den (im Wesentlichen von den russischen Gästen) blitzsauber, sehr organisch und dynamisch differenziert bestrittenen A-cappella-Chorteilen. Vor der Pause empfahlen sich Orchester und Chorgemeinschaft mit Ouvertüre, Pilgerchor und Finale zu „Tannhäuser“ als beeindruckend klangintensives Aufgebot – technisch makellos und ganz dem pathetisch berstenden Klangbild herkömmlicher Wagner-Interpretation verpflichtet. Das eigentliche Ereignis fand zur Konzerteröffnung statt: Da gehörte die Bühne dem fabelhaften Chor des Staatlichen Konservatoriums Kazan unter seinem Leiter Vladislav Lukjanov. Und man hätte süchtig werden können nach diesem wunderbar ebenmäßigen, schmelzend schönen Klangbild, der wachen, spritzigen Deklamation, dem funkelnden Glanz der hohen und dem geerdeten Samtvolumen der tiefen Stimmen – unnachahmlich das „Kontraregister“ der doch jungen Bässe. Rachmaninow, Tschaikowsky und eine Volksweise waren im Programmheft leider keiner Erwähnung wert. Dafür gab es eine ganze Seite Kleingedrucktes zur sattsam bekannten Vita des Gastgebers Leo Krämer zu lesen – bei aller Achtung vor dem umfänglichen Projektmanagement kein Aushängeschild für Gastfreundschaft.

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