Speyer „Gott schütze Thüringen“

Herr Vogel, Sie waren selbst Ministerpräsident von Thüringen. Welches Gefühl beschleicht Sie, wenn Sie daran denken, dass nun ein Vertreter der Linken auf dem Stuhl Platz nehmen könnte?

Man mag kein ungeteiltes Verständnis für mich haben: Das schmerzt mich sehr. Warum? Weil das nicht meinen Hoffnungen entspricht. Sind Sie bei der Wahl am Freitag in Erfurt dabei? Nein. Ich bin kein Mitglied des Landtags mehr, habe kein Mandat. Werden Sie als ehemaliger Ministerpräsident denn nicht ohnehin zu einem solchen Termin wie der Ministerpräsidentenwahl eingeladen? Nein, das ist nicht üblich. Kennen Sie den Kandidaten der Linken, Bodo Ramelow, und wie schätzen Sie ihn als Person ein? Ja, selbstverständlich kenne ich ihn. Er war lange Jahre Mitglied des Landtags und Fraktionsvorsitzender seiner Partei. Ich bin der Meinung, man muss sich vor ihm in Acht nehmen. Herr Vogel, vor 25 Jahren ist die Mauer gefallen. Die Linke als Nachfolgepartei der SED gibt es aber noch und die Menschen – vor allem im Osten – wählen sie. Ist ein linker Ministerpräsident nicht ein Zeichen funktionierender Demokratie und als solches zu begrüßen? Natürlich muss man in der Demokratie Regierungswechsel akzeptieren. Aber hier geht es ja nicht um ein Zeichen für Demokratie. Hier geht es darum, dass die Nachfolger der SED und ihre Helfershelfer an die Macht streben, um zunächst Thüringen und eines Tages auch Deutschland fundamental zu verändern. Bundespräsident Joachim Gauck hat seine Zweifel daran, ob Vertreter der Partei „Die Linke“ schon geeignet sind, ein Amt wie das eines Ministerpräsidenten zu begleiten. Teilen Sie diese Zweifel? Bundespräsident Gauck hat seine Meinung höflicherweise in eine Frage gekleidet und er hat meines Erachtens recht. Ich teile seine Zweifel, ob alle Repräsentanten der Linken wirklich regierungsfähig geworden sind. Wie verhält es sich in dieser Hinsicht mit Ramelow? Was Herrn Ramelow betrifft, so führt er eine Fraktion, der mehrere frühere aktive Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der DDR, der Stasi, angehören. Die Revolutionäre von 1989 haben gerufen „Stasi in die Produktion“ und gerade nicht „Stasi in die Regierungsverantwortung“. Wie viele Wahlgänge wird es morgen in Erfurt geben und reicht eine Stimme Mehrheit letztlich für die Entscheidung? Das weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass im ersten und zweiten Wahlgang Bodo Ramelow 46 von 91 Stimmen des Landtages braucht. Und in einem dritten mehr Stimmen als ein möglicher Gegenkandidat. Haben Sie der amtierenden Ministerpräsidentin Ihrer Partei, Christine Lieberknecht, geraten, ins Rennen zu gehen? Ich hätte es gerne gehabt, wenn sie im ersten und in einem möglichen zweiten Wahlgang angetreten wäre. In einem dritten, sollte es dazu kommen, empfehle ich einen anderen Kandidaten. Und wen? Das will ich jetzt hier noch nicht sagen. Das diskutiere ich mit meinen politischen Freunden in Erfurt. Sehen Sie die aktuelle politische Konstellation in Erfurt, also Rot-Rot-Grün, als ein Muster für andere Bundesländer und im Blick auf die Zukunft auch noch im Bund? Für andere Bundesländer, so hoffe ich, ist es kein Muster. Was den Bund betrifft, so bin ich der Überzeugung, dass Herr Ramelow – ich sage nicht Herr Gabriel (der gegenwärtige SPD-Bundesvorsitzende, ) – für 2017 alles tun wird, dort ebenfalls eine rot-rot-grüne Mehrheit anzustreben. Als Sie damals 1988 Ihr Amt in Reinland-Pfalz aufgeben mussten, sind Sie in Koblenz von der Bühne gegangen mit dem Ausspruch „Gott schütze Rheinland-Pfalz“. Ist dieser Wunsch heute für Thüringen angebracht? Während ich im Hinblick auf Rheinland-Pfalz inzwischen hoffnungsvoll gestimmt bin, gilt mein Koblenzer Wort heute für Thüringen. Sie gehen also schon davon aus, dass Bodo Ramelow am Freitag ins Amt kommt? Ich muss das leider befürchten. Gesetzt den Fall es kommt so: Lassen Sie sich die von Ihnen seit der Ministerpräsidenten-Zeit in Erfurt überaus geschätzten Thüringer Bratwürstchen dann dennoch weiterhin schmecken? Mit Sicherheit, ja.

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