Speyer „Ein Modell der realen Welt“

Im Internetangebot von Google gibt es eine Karte, die die Welt in blaue und weiße Bereiche einteilt. Vom blauen Teil der Welt gibt es Google-Street-View-Aufnahmen. Man kann dort ein Männchen auf eine Stadtkarte ziehen und virtuell durch die Straßen schlendern. Um die Bilder für diese Panorama-Karten aufzunehmen, sind Google-Autos mit Kameras auf dem Dach gut fünf Millionen Kilometer in über 50 Ländern auf der ganzen Welt abgefahren. Auf der Google-Karte, die die Welt in Blau und Weiß teilt, ist fast ganz Europa tiefblau. Nur ein kleiner weißer Fleck hat tapfer Widerstand geleistet: In Deutschland liefen Datenschützer Sturm gegen die Aufnahmen, die ab 2008 in 20 deutschen Großstädten gemacht wurden. Über 240.000 Personen nahmen nach der Veröffentlichung ihr Recht wahr, ihre Häuser verpixeln zu lassen, also unkenntlich zu machen. 2011 brach Google die Digitalisierung der Nation ab. „Landesweit keine Fahrten“, heißt es bis heute zu Deutschland auf einer Seite, auf der Google angibt, wo Aufnahmen stattfinden. Anders hält es die finnische Firma Nokia. Sie hat in diesem Sommer Kameras auf Rädern nach Deutschland geschickt – auch nach Speyer: Im August und im September sollen Fahrzeuge mit der Aufschrift „here“ die Straßen abfilmen. Here ist ein Tochterunternehmen von Nokia. Es erstellt Karten von Städten auf der ganzen Welt, die es auf einer eigenen Homepage veröffentlicht. Zusätzlich werden die Karten verkauft, etwa an Yahoo, Microsoft und Anbieter von Navigationssystemen. Über den genauen Zeitplan für Speyer kann Here-Sprecher Sebastian Kurme wenig sagen: „Das hängt auch vom Wetter ab. Wassertropfen auf den Kameralinsen würden die Aufnahmen unbrauchbar machen.“ Der Schwerpunkt der Fahrten liege auf Innenstädten und Gewerbegebieten. Die Autos seien auf öffentlichen Straßen unterwegs. Veröffentlicht würden die Bilder frühestens sechs Monate nach ihrer Aufnahme, unter anderem beim eigenen Kartendienst des Unternehmens unter www.here.com oder eben bei Partnern wie Yahoo. Speyer gehört wie etwa Ludwigshafen, Mainz, Pirmasens und Zweibrücken zu den deutschen Städten, in denen in diesem Sommer Panorama-Aufnahmen bei gutem Wetter entstehen sollen. „Fotografie ist noch keine Kartografie“, sagt Kurme zur Vorgehensweise. Auch Informationen zu Straßenbeschilderungen, Ampeln und zu weiteren Orientierungspunkten sollten aufgenommen werden. Dies sei für Karten- und Navigationssoftware wichtig. „Die aktuell in unseren Autos eingesetzte Technologie ermöglicht es uns, ein hochpräzises 3D-Modell der realen Welt zu erstellen“, so Kurme. Die Fahrten seien aber nicht die einzige Here-Quelle. Frühestens im Frühjahr 2015 könnten Speyerer also möglicherweise ein Foto ihres Hauses in Here- oder der Yahoo-Angeboten finden – sofern sie das wollen: „Ab der Veröffentlichung kann jeder dagegen vorgehen“, sagt Kurme. Wie bei Google-Street-View muss man in diesem Fall bei der Firma beantragen, dass die eigene Hauswand verpixelt wird. Bei Gesichtern und Kfz-Kennzeichen geschieht das automatisch. Ob die Behörden über die Aufnahmen informiert sind? „Bevor wir in einem Bundesland anfangen zu fahren“, sagt Kurme, „setzen wir den zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten davon in Kenntnis.“ „Das stimmt, wir haben vor dem Sommer einen Brief von einer Anwaltskanzlei aus Frankfurt bekommen“, so Klaus Globig, der stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragte. Er sehe die Aufnahmen kritisch: „Ein Stück Selbstbestimmung geht verloren. Wir würden bevorzugen, wenn jeder Hausbesitzer vorher einwilligen müsste.“ Auflagen für Here seien laut EU-Recht nicht möglich, weil für finnische Firmen die finnischen Datenschutzrichtlinien gültig seien. Das weiß auch die Stadtverwaltung Speyer: „Wenn die Privatsphäre beachtet wird, ist an den Aufnahmen und den Veröffentlichungen nichts auszusetzen“, teilt sie auf Anfrage mit. (seed/caim/pse)

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