Speyer Das Ende der Ganerbschaft

Die Ganerb: Eine etwa 300 Jahre alte Übersichtskarte aus dem Landesarchiv in Speyer zeigt die einzelnen Bereiche.
Die Ganerb: Eine etwa 300 Jahre alte Übersichtskarte aus dem Landesarchiv in Speyer zeigt die einzelnen Bereiche.

«Hanhofen.»Vor 200 Jahren einigten sich die an der Ganerbschaft beteiligten acht Gemeinden und die wenigen verbliebenen Ganerben – auch Hübner genannt –, die „Ganerb“ aufzulösen und das Gelände aufzuteilen. Zwei Jahre zuvor war das fast zwei Jahrzehnte lang französische Gebiet der heutigen Pfalz nach den napoleonischen Wirren zum Königreich Bayern gekommen. Infolge der napoleonischen Kriege war die heutige Pfalz ab 1794 von französischen Truppen besetzt. Land und Fluren einschließlich der kirchlichen Güter wurden mit dem Frieden von Lunéville 1801 französisches Staatseigentum, alle Privilegien waren abgeschafft. Die Pfalz gehörte zum französischen Departement Donnersberg und wurde von Mainz aus regiert. Erst nach der Verbannung Napoleons nach Sankt Helena erreichte der Wiener Kongress 1815 eine Neugliederung Europas. Die Pfalz, die erst ab 1838 so hieß, kam durch das „Besitzergreifungspatent“ des bayerischen Königs Maximilian I. am 1. Mai 1816 als Rheinkreis zum Königreich Bayern. Das gesamte Land und seine Strukturen mussten neu aufgebaut werden; auch die Ganerbschaft lag am Boden und war nach Erlöschen des französischen Staatseigentums ohne Rechtsgrundlage und praktisch herrenlos, weil viele besitzende Familien in den Kriegen vertrieben worden oder gestorben waren. Daher arbeitete die bayerische Regierung – das Präsidium saß in Speyer – auf eine gütliche Regelung hin, welche 1818 erfolgreich war. So vergab und verloste Hanhofen seinen Anteil von 189 Hektar an 105, und Dudenhofen den Anteil von 139 Hektar an 174 interessierte Bürger. Die Ganerbschaft war somit erloschen. Was war die Ganerbe, wer waren die Ganerben? Die Ganerbe war gemeinschaftliches Gut der angrenzenden Gemeinden Haßloch, Geinsheim, Gommersheim, Harthausen, Dudenhofen, Böhl und Iggelheim sowie in der Mitte Hanhofen als Sitz des Hubgerichts. Das Gelände mit knapp 700 Hektar umfasste vor allem die Bachniederungen im Ordens- und Nonnenwald. Es war nicht bestes Ackerland, meist waren es Waldungen, Auwiesen oder Weiden und Brachland. Die Ganerbe lag zwischen den Dörfern, also nicht auf oder in deren Gemarkung. Möglich waren Holznutzung, Heumahd, Schneiden von Schilf und Röhricht, Vieh- und Schweinetrieb nach Eicheln und Bucheckern und Ackernutzung nur ausnahmsweise an den Rändern. Die Jagd blieb fürstliches Recht. Zur gemeinschaftlichen Nutzung berechtigt waren nur die „alteingesessenen Familien“ aus den angrenzenden Gemeinden – die Ganerben oder Hübner. Dieses Recht war vererblich. Die nicht berechtigten Familien waren die „Unerben“. Waren in einem Dorf die Erben in der Mehrheit, durften alle Bewohner die Ganerbe nutzen. Zudem waren durch Privilegien alle Einwohner von Hanhofen (als Sitz des Hubgerichts) sowie Haßloch und Gommersheim (als Gerichtssitze) zur Nutzung berechtigt. Bei Hochwasser durften auch die Speyerer ihr Vieh auf Ganerbgelände treiben. Es wundert nicht, dass übers Jahr vieles zu beraten, zu bewirtschaften und Streit zwischen Ganerben und Unerben oder angrenzenden Gemeinden zu entscheiden war sowie Wald- und Feldfrevel zu büßen waren. Alle Angelegenheiten wurden jährlich am Donnerstag vor St. Martin im Hubhof zu Hanhofen verhandelt. Keine Territorialherrschaft sollte Einfluss nehmen, der Ganerben-Bezirk habe sich „der Reichsunmittelbarkeit zu erfreuen“. Wer anderswo sein Recht suche, solle sein Erbrecht und sein Pachtrecht verlieren; alle Unerben haben nichts zu schaffen auf den Ganerben. Hier sahen sich die Hübner als frei an und nur dem König untertan. Ein Bericht aus dem Jahr 1753 gibt Einblick in einen Gerichtstag: Die Schultheißen der Ganerbendörfer und alle Hübner ziehen nach Hanhofen auf den Kirchhof, der hinter der alten Kirche im Süden Hanhofens lag. Noch heute verläuft dort die „Alte Kirchstraße“. Das Läuten der Kirchglocken ist das Zeichen für das Hubgericht, am Tisch unter freiem Himmel Platz zu nehmen und mit der Verhandlung zu beginnen. Einnahmen und Zinsen werden eingezogen, Vergütungen gezahlt und „auch alle sich unter den Ganerben begebenen Fälle und Händel entschieden und abgetan“. Am Ende nimmt das Ganerbengericht im Ort das Mittagsmahl. Seit wann gab es die Ganerbe? Der Überlieferung nach hat Merowinger-König Dagobert I., der 639 starb, zum Dank für Hilfe bei Aufruhr und großer Not die Ganerbe und die Waldungen den Bauern geschenkt. Das ist jedoch nicht zu belegen. Dass es die Ganerbe aber bereits im Jahr 1251 gegeben haben muss, geht aus einem Dokument aus dem Jahr hervor. Darin heißt es, dass dem Konvent des Klosters Heilsbruck in Harthausen der Fischteich rechtmäßig zustehe, der an die Ganerbe anstößt. Schon fast 200 Jahre früher schenkte der noch jugendliche König und spätere Kaiser Heinrich IV. dem Speyerer Bischof Einhard auf der linken Rheinseite den Wald zwischen Rehbach und Speyerbach bis zur Haardt. Die Waldschenkung umschließt zum Teil den Ganerbenbezirk. Daraus wird geschlussfolgert, dass die Ganerbschaft schon 1063 bestand. Die Hanhofener Ganerbschaft hat demnach mehr als fünfeinhalb, wenn nicht gar siebeneinhalb Jahrhunderte bis zu ihrem Ende 1818 überdauert. Der Autor Der Dudenhofener Gangolf Bettag ist seit rund 15 Jahren Mitglied im örtlichen Verein für Heimatgeschichte und -kultur. Dort engagiert er sich als Schriftführer. Der 71-jährige pensionierte Jurist interessiert sich besonders für die Orts-, Heimat- und Rechtsgeschichte.

Gehörte auch der Ganerbschaft: der Wald bei Dudenhofen.
Gehörte auch der Ganerbschaft: der Wald bei Dudenhofen.
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