Speyer Adieu Tristesse

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Ein neuer Blickfang überrascht Autofahrer, die vom Norden in die Mannheimer City fahren: das angeblich größte Hauswandgemälde Deutschlands. 45 Meter hoch bedeckt ein Schwarzweißbild rund 900 Quadratmeter Wohnblock. Am Wochenende hat der StreetartKünstler Hendrik Beikirch letzte Hand angelegt.

Mindestens 100 Dosen Lackspray hat er gebraucht, um ein überdimensionales Gesicht an der Fassade des 15-stöckigen Hochhauses in der Brandenburger Straße 44 im tristen Stadtteil Vogelstang wahrwerden zu lassen. Mit Graffitikunst gegen die Monotonie einer Vorstadtsiedlung – so könnte das Projekt überschrieben sein. Auf den zwei äußeren Hauptfassaden sowie den tiefer liegenden kleineren Fassadenteilen entstand das gewaltige Mural – wie sich solche Wandbilder nennen. Beikirch hat Erfahrung. Auf ihn geht auch das größte Mural Asiens in Südkorea zurück, das 70 Meter hoch ist. Industriekletterer haben den Koblenzer zwei Wochen lang unterstützt. Überraschend positiv haben ihm zufolge die allermeisten Bewohner des Blocks das tägliche Auf und Ab der beweglichen Arbeitsbühnen vor ihren Fenstern aufgenommen. Auch wenn es ein Schwarzweißbild sei, irgendwie komme trotzdem Farbe in die Tristesse, so eine Bewohnerin des Stadtteils. Oftmals entstehen Graffiti ohne Genehmigung und werden als Schmiererei betrachtet. Folglich haben Städte Methoden, Graffiti zu verhindern. Diese reichen vom Verbot, entsprechende Werkzeuge zu besitzen, bis zu gesetzlicher Bestrafung. Allerdings gibt es auch eine positive Entwicklung für Künstler. Kommunen bieten den Sprayern Flächen an, um legale Kunstwerke zu fördern. Die Stadt Mannheim geht sogar noch einen Schritt weiter. Seit vier Jahren holt das Projekt „Stadt.Wand.Kunst“ internationale Künstler aus der Graffiti-Szene in die Kurpfalz. Ziel der Initiatoren: Die Stadt soll zu einem riesigen Museum werden. Die Kosten teilen sich die Wohnungsbaugesellschaft, die „Kulturelle Stadtentwicklung“ und das Kulturzentrum „Alte Feuerwache“ sowie der Lacksprayhersteller Montana Cans aus Heidelberg. Das Land fördert das Projekt. Seit 2014 sind so neun Graffiti an Hauswänden in der Innenstadt und auf dem Gelände der ehemaligen US-Kaserne Benjamin Franklin Village entstanden. „Ich bin sicher, dass das rekordverdächtige Werk noch längst nicht das Ende ist“, sagt Katharina Tremmel vom Kulturzentrum „Alte Feuerwache“.

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