Speyer Speyerer Referentin für Denkmalpflege im Interview: „Wir müssen Respekt haben“

Besonders markant: das Zierfachwerk unterhalb des Daches.
Besonders markant: das Zierfachwerk unterhalb des Daches.

Mehr Verständnis für den Denkmalschutz fordert die für Speyer zuständige Gebietsreferentin der Landesdenkmalpflege Rheinland-Pfalz, Ulrike Weber. Der Eigentümer des Kutscherhauses am Fischmarkt habe sich über Auflagen hinweggesetzt. Im Interview mit Torsten Lauer sagt Weber, es sei historischer Schaden entstanden.

Frau Weber, wie beurteilen Sie den renovierten Zustand des Kutscherhauses?

Wenn man sich das Haus von außen anschaut, dann sieht es so aus, als seien alle Auflagen des Denkmalschutzes eingehalten worden. Das ist allerdings nicht so. Leider sind die historischen Binderkonstruktionen des alten Dachstuhls vollständig entfernt und durch Stahlrahmen ersetzt worden. Das war so nicht vorgesehen, und das wäre auch nicht nötig gewesen. Was ist daran problematisch? Das vermindert natürlich den Denkmalwert des Kutscherhauses. Je mehr historische Substanz verloren geht, umso schlechter ist das. Warum ist das Kutscherhaus als Denkmalschutzobjekt so wichtig? Das Gebäude ist markant und gehörte zur benachbarten Villa des Tabakfabrikanten Wellensiek, die ebenfalls unter Denkmalschutz steht. Das Kutscherhaus hat ein schönes Zierfachwerk. Es ist aber auch als sozialgeschichtliches Zeugnis interessant, denn es wurde ja nicht immer als Gasthaus benutzt. Für den Fabrikanten Wellensiek war es das Haus, in dem Bedienstete wohnten, Wagen untergestellt waren und wohl auch Pferde. Ein Teil wurde auch als Gartenhaus genutzt. Das ist übrigens eine interessante Kombination zwischen Garten- und Gesindehaus. Woher wissen Sie, wie das Kutscherhaus früher genutzt wurde? Die Quellenlage ist – wie häufig in Speyer – sehr gut. Wir haben etwa alte Baupläne, aus denen wir viel über die Funktion des Hauses ersehen können. Es hat im Kutscherhaus etwa auch ein „Bügelzimmer“ gegeben. Wir sind uns allerdings nicht sicher, ob da Wäsche oder Tabakblätter gebügelt wurden. Das lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen. Streitpunkt zwischen Denkmalschutz und Eigentümer ist neben dem Erhalt des historischen Dachstuhls die alte Gesindetreppe. Was heißt Streitpunkt? Die Treppe trägt zum Verständnis der Funktion des Gebäudes bei, sie zu entfernen, bedeutet den Zeugniswert des Gebäudes zu vermindern. Wenn jemand ein Denkmal erwirbt, weiß er, dass er sich bei Veränderungen mit der Denkmalbehörde abstimmen muss und eine denkmalrechtliche Genehmigung braucht. Die in diesem Fall nicht vorlag? Es gab im Fall des Kutscherhauses die klare Auflage, die alte Binderkonstruktion des Dachstuhls und die Gesindetreppe zu erhalten. Daran hat sich der Eigentümer nicht gehalten. Das geht nicht. Wir müssen Respekt haben vor einem solchen geschichtsträchtigen Gebäude. Bundesweit stehen nur zwei Prozent aller Gebäude unter Denkmalschutz. Es ist also nicht so, dass das so unglaublich viele sind. Es ist im Übrigen ein absolut übliches Vorgehen, dass die Untere Denkmalschutzbehörde klare Auflagen formuliert. Das ist ihre Aufgabe. Sehr selten ist dagegen, dass jemand diese so völlig ignoriert. Normalerweise weiß jemand, der ein Denkmal kauft, auf was er sich einlässt. Der Eigentümer argumentiert, dass bei dem Erhalt der geforderten Teile moderne Gastronomieanforderungen nicht erfüllbar gewesen wären. Ein Denkmal muss natürlich auch benutzt werden können. Das ist ja klar. Wir haben nichts von einem Gebäude, das keiner nutzt und pflegt und das dann irgendwann zusammenfällt. Das Kutscherhaus wäre aber auch unter Berücksichtigung der Denkmalschutzauflagen ohne Weiteres nutzbar gewesen. Es war ja vor dem Brand auch schon ein Restaurant. Wir haben nichts Unmögliches verlangt. Wenn in einem solchen Gebäude eine Küche verlegt wird, ist das für den Denkmalschutz dann kein Problem? Nein. Es ist ja nicht so, dass ein denkmalgeschütztes Gebäude nicht verändert werden darf. Aber Veränderungen sind abzustimmen, so etwas passiert im Dialog mit Eigentümern, Nutzern und Planern und Denkmalpflegern ständig. Das kann man alles ganz gut hinbekommen. Der Denkmalschutz steht immer wieder als Blockierer in der Kritik. Können Sie das nachvollziehen? Solche unsachlichen Argumente bekommen wir bisweilen zu hören, aber das ist mutwillige Verzerrung, bestenfalls Unverständnis. Wir blockieren höchstens die Zerstörung alter Häuser. Was einmal abgerissen oder beseitigt wurde, ist für immer und für alle verloren und kann kein Zeugnis mehr ablegen. Wir müssen manchmal sogar hören: Wie konnte das passieren, dass dieses Haus abgerissen wurde, dieses Dach so entstellend ausgebaut wurde, wie konnte die Denkmalpflege so etwas zulassen? Bewusstsein für den Erhalt historischer Bausubstanz ist in der Öffentlichkeit und gerade auch in Speyer durchaus vorhanden. Wir Denkmalpfleger blockieren nicht, wir kümmern uns und fördern. Speyer ist schon eine denkmalreiche Stadt. Das hängt auch damit zusammen, dass es eine der ganz wenigen rheinland-pfälzischen Städte ist, die nicht oder kaum im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Insofern profitiert Speyer also auch vom Denkmalschutz? Ganz klar. Das ist für die Stadtidentität ganz wichtig. Speyer hat eine große Geschichte und damit auch eine großartige Bausubstanz. Davon lebt Speyer ja auch zu einem großen Teil, denken Sie etwa an den Tourismus, der darauf aufbaut, dass es eine alte Stadt ist, in der es nicht nur einen Dom und eine Dreifaltigkeitskirche gibt, sondern mit den ganz vielen alten Bürger-, Fischer- und Bauernhäusern ein weitgehend geschlossenes Stadtbild.

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