Speyer Gezeiten der Liebe

Ein Paar gestern und heute: Hannah Kirchner und Rudy Isselhard (hinten) sowie Daniela Michel und Timo Effler (vorne).
Ein Paar gestern und heute: Hannah Kirchner und Rudy Isselhard (hinten) sowie Daniela Michel und Timo Effler (vorne).

Mit der Komödie „Früher war es besser als draußen“ hat Timo Effler, Leiter des Speyerer Zimmertheaters, am Samstag auch seine Autoren-Premiere gefeiert. In dem Vier-Personen-Stück mit Musik in Zusammenarbeit mit der Speyerer Musikschule, in dem Effler als Schauspieler und gemeinsam mit Matthias Folz als Regisseur tätig war, hat sich jeder der Besucher der ausverkauften Vorstellung irgendwo zwischen Raum und Zeit wiedergefunden.

Das waren noch Zeiten. Damals, 2004. Als Tom (Rudy Isselhard) und Mala (Hannah Kirschner) noch jung und verliebt waren, den Kopf voller Ideen für ein unangepasstes Leben. Die eine ernsthaft entschlossen zur Weltveränderung, der andere verspielt wie ein Kind. Beide scheinbar für immer vereint. So das gelungene Spiel, das die Gäste im Hintergrund auf der Bühne durch transparenten Bühnenstoff sehen. Weich gezeichnet. Anders die Realität im Saal 15 Jahre später. Das Licht ist gnadenlos auf erste Altersspuren in den Gesichtern von Tom (Timo Effler) und Mala (Daniela Michel) gerichtet, auf zerplatzte Träume und Anspannung vor dem ersten Wiedersehen nach der Trennung. Grandios spielt Michel die nervöse, weltweit agierende Menschenrechtsanwältin. Effler geht in der Rolle des Germanisten auf, der sein berufliches Glück als freier Mitarbeiter bei einer Lokalzeitung gefunden hat. Es sind zwei Welten, die sich immer wieder treffen. Dann, wenn der heutige Tom hinter den Vorgang tritt oder die junge Mala hervorkommt. Isselhard spielt den 19-Jährigen in Bis-ins-Knie-Weitschritt-Hosen mit Leidenschaft für Fußball und Tucholsky hervorragend. Keine Gnade findet die Karriere seines 15 Jahre älteren Alter Egos vor ihm. Spießig, artig, langweilig. Hoffentlich sei er nicht auch noch Lehrer geworden. Voller Selbstironie fragte Effler, im richtigen Leben Lehrer, sein jüngeres Ich: „Sehe ich etwa so aus?“Hinter dem Vorhang steht die Zeit still, als Mala weinend ihre große und für immer gelobte Liebe für gescheitert erklärt. Großes Kino im Zimmertheater. Peinliches Schweigen folgt anfänglichen gegenseitigen Angriffen bei der Begegnung 2019 zwischen Tom und Mala. Die Vertrautheit von früher macht ein Gespräch nicht einfacher. Diese Szene ist absolut authentisch. Jedenfalls können sich viele Zuschauer gut an ähnliche Situationen erinnern. Ähnlich peinlich und ähnlich unangenehm. Wie viele, sind auch Tom und Mala 2019 keine anderen als die, die ihr Leben hinter dem Vorhang 2004 unabhängig voneinander in die eigenen Hände genommen haben. Zugegeben, sie sehen anders aus. Sie ist zynisch geworden, er zerknirschter als früher. Zum Bund sei er gegangen, weil er den Termin für die Verweigerung „verscheckt“ habe, gesteht Tom seiner ersten großen Liebe. Die findet ihn zu dick und ansonsten „genau so wie früher“. Die Musikschul-Schüler Lena Kästel (Ukulele und Gesang), Leonhard Breunig (Bass) und Connor Hundertmark (Piano und Gesang) begleiten das Stück mit Musik aus 15 Jahren. Mit Titeln wie „Herz über Kopf“ oder „Sind wir denn nie schön genug?“ gewinnen sie die Herzen der Mitwirkenden und Gast-Zuhörer. „Früher war es besser als draußen“, philosophiert Timo Effler und erkennt, warum die Liebe gescheitert war. Hinter dem Vorhang küssen sich Tom und Mala zum ersten Mal. Das waren noch Zeiten, die schönste Zeit, wie die Darsteller am Ende wissen. Mit ihnen will man Zeiten wie diese immer wieder erleben. Termine Weitere Aufführungen: 21., 22. März, 4., 5., 12., 13. April, 3., 4. Mai, jeweils 20 Uhr, Zimmertheater Speyer, Flachsgasse 3. Karten gibt es im Spei`rer Buchladen, Korngasse 17, Telefon 06232 72018.

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