Speyer Die Musik bleibt in der Familie

„Songs & Ballads“: Benyamin (links) und Ludwig Nuss im Ratssaal.
»Songs & Ballads«: Benyamin (links) und Ludwig Nuss im Ratssaal.

Wie ist das, wenn zwei sehr eigenständige Jazz-Musiker zusammen spielen, die gleichzeitig Vater und Sohn sind? Ob das passt oder ob da um Dominanz gekämpft wird, konnten die Zuhörer am Freitag beim Rathauskonzert mit Ludwig Nuss, Posaune, und Benyamin Nuss, Klavier, selbst entscheiden.

Schlicht „Songs & Ballads“ nannten sie ihr Programm mit Standards und eigenen Kompositionen – beide sind nicht nur Musiker, sondern auch Komponisten, und während der Vater Ludwig von Anfang an nie etwas anderes als Jazz wollte, studierte Benyamin Klavier, gab Klassik-Konzerte und veröffentlichte Klassik-CDs. Den Jazz, der sein zweites Standbein wurde, sog er quasi in der Familie auf – auch ein Onkel ist Jazz-Pianist. Die Standards waren oft welche, die man üblicherweise in Fassungen für Bigband kennt. So intim in einer Duo-Fassung, mit viel Spielraum für Improvisationen, bekamen sie einen ganz anderen Charakter. Das Eröffnungsstück etwa, „On Green Dolphinstreet“, ist Musik aus einem Film der 1940er-Jahre, „Taifun“. Komponiert hatte es der Pole Bronislaw Kaper, der als Jude in die USA geflohen war und dort Arbeit in den Filmstudios fand. Das eher softe Stück bekam unter den Händen von Vater und Sohn Nuss deutlich mehr Ecken und Kanten. „Solar“ von Miles Davis, lebhaft und entspannt, war ein ausgewogener Dialog zwischen Blasinstrument – hier Posaune statt Davis` Trompete – und Klavier, ein wenig wie ein temperamentvolles, aber freundliches Gespräch. Die Urheberschaft von Miles Davis ist übrigens umstritten, er habe es wohl geklaut, sagte Ludwig Nuss. Ein weiterer alter Film-Song war „Till There Was You“ aus dem Musical „The Music Man“ von Meredith Wilson. Offenbar machte der Song großen Eindruck auf die Beatles, die ihre Version 1963 aufnahmen – ihr einzige Broadway-Song, gesungen von Paul McCartney. Die Versionen zu vergleichen, lohnt sich auch als Beispiel, was man mit einem guten Song alles machen kann. Ähnlich war es mit „Days of Wine and Roses“ eine Filmmelodie von Henry Mancini, im „Easy-Listening“-Format mit vielen Streichern, das hier in der Interpretation durch Vater und Sohn Nuss einen ganz anderen, klarer definierten und spannungsgeladeneren „jazzigen“ Charakter bekam. Was dem Konzert aber einen sehr familiären, persönlichen Anstrich gab, waren die eigenen Kompositionen von Vater oder Sohn, die fast immer sich auf die Familie bezogen. Man konnte sich vorstellen, wie oft die beiden ganz zum Vergnügen abends „jammen“ und wie sie oft die ersten Hörer und Kritiker des jeweils anderen geworden sind. „Hatijah“ heißt die Frau von Ludwig und die Mutter von Benyamin Nuss, und das Stück mit ihrem Namen von Ludwig Nuss war eine sehr romantische Ballade, in der die meiste Zeit die Posaune den Ton angab, bis am Ende das Klavier sich einschaltete und das Ganze Swing-Charakter bekam. „Sul’s Song“ geht auf den zur Zeit der Entstehung vor mehr als zwanzig Jahren erst etwa fünf Jahre alten Neffen Sul von Ludwig Nuss zurück. „Der konnte damals nur ein paar Gitarrenakkorde, die er mir vorgespielt hat – die habe ich dann als Grundlage meines Stücks genommen“, so erzählte Ludwig Nuss. Das Ergebnis ist ein heiteres kleines Stück geworden. „Gentle Jun“ hatte einen traurigeren Anlass: Schwägerin Jun, „die liebenswerteste Frau, die man sich vorstellen kann“, so Ludwig Nuss, war verstorben. Die beiden Kompositionen von Benyamin beriefen sich weniger auf die Familie, „Bad Day“ und „Your Decision“ waren einfach entspannte, unangestrengte Musik.

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