Speyer „Amokläufer bleibt ein Mensch“

Debütroman mit 19 Jahren: Lea-Lina Oppermann.
Debütroman mit 19 Jahren: Lea-Lina Oppermann.

143 Minuten Amoklauf – aus der Perspektive der Schüler Fiona und Mark sowie eines Lehrers erzählt Lea-Lina Oppermann in ihrem Debütroman „Was wir dachten, was wir taten“, wie ein Unbekannter eine Klasse als Geiseln nimmt. Die Autorin kommt am Donnerstag, 22. März, 11 Uhr, zu einer ausverkauften Lesung der Reihe „Speyer.Lit“ in den Alten Stadtsaal. Unsere Mitarbeiterin Antonia Kurz hat vorab mit der 19-Jährigen gesprochen.

Amokläufe an Schulen – vor allem ein Problem in den USA. Gab es einen Fall in Deutschland, der im Schreibprozess Orientierung war?

Nein, die Geschichte ist erfunden. Auf das Thema bin ich durch einen Fehl-Amokalarm an meiner eigenen Schule gestoßen. Der Beginn des Romans – die Sicherheitsproblem-Durchsage – führte auch zur Idee: Ich habe mich gefragt, was passieren könnte, wenn es sich wirklich um einen Amoklauf handeln würde. Andere junge Frauen in Ihrem Alter würden sich aber nicht unbedingt nach der Schule hinsetzen und einen Roman schreiben. Was unterscheidet Sie von anderen? Vielleicht die Lust darauf, mehrere Leben zu leben. Und eine Langeweile bei den Hausaufgaben. Und was die anderen jungen Frauen angeht: Das ist auch gut so. Wo kämen wir hin, wenn jeder nur noch Romane schreiben würde. Ich bin jedem Zahnarzt dankbar. Und vor allem: jedem guten Lehrer. Haben Sie für den Roman recherchiert? Oder ihn „einfach“ geschrieben? Ich habe natürlich Artikel über Geiselnahmen gelesen. Aber für mich ist er vor allem ein Gedankenexperiment. Ein „Was wäre wenn?“. Geschrieben hab ich ihn dann nicht einfach, sondern mehrfach. Die erste Fassung war nur 70 Seiten lang. Es hat mehrere Versionen gebraucht, bis aus der Erzählung ein Roman geworden ist. Ein Amokläufer nimmt eine Klasse als Geiseln. Er bedroht sie aber nicht nur, sondern bringt ihnen zehn Briefe mit Aufgaben. Was war die Idee dahinter? Ich wollte nicht über ein Blutbad erzählen, sondern über die Vorgänge in einer Klasse, die in eine Extremsituation gerät. Brief für Brief verändert sich die Sicht der Protagonisten, sowohl auf die anderen als auch auf sich selbst. Was war die Folge für den Roman? Ich habe mich gefragt, wie ein „intelligenter“ Amoklauf aussehen könnte. Natürlich ist das ein Widerspruch in sich, wie der Roman auch zeigt. Es war mir dennoch wichtig, dass der Amokläufer ein Mensch bleibt und kein um sich schießendes Klischee. Für mich ist das Buch nicht vorrangig ein Buch über Gewalt, sondern darüber, wie viel Verborgenes im Menschen steckt, Gutes wie Schlechtes. Die zehn Briefe waren das Werkzeug, um mehr darüber ans Licht zu bringen, wer die Schüler sind und was in ihnen steckt. Der Mensch mit der Maske eine Art Lügendetektor, der schließlich jedoch ebenfalls entlarvt wird. Die Identität des Attentäters wird am Ende aufgelöst. Wer ist es? Das zu erzählen möchte ich den Protagonisten Mark, dem Lehrer, Herrn Filler, und Fiona überlassen. Die Beschreibung von Angst ist ein zentrales Thema im Roman. War es eine psychische Herausforderung, über diese Extremsituation zu schreiben? Ich bin froh und dankbar, nur darüber geschrieben und es nicht selbst durchlebt zu haben. Einmal saß ich gerade in der Bibliothek und mitten in einer Todesangst-Passage aus der Sicht von Herrn Filler wurde ich von der Bibliothekarin unterbrochen, die mir ein paar Gemüsechips anbot – das tat schon gut, wieder in die Geborgenheit zurückzukehren. Gleichzeitig wäre ich wohl nie auf die Idee zu der Geschichte gekommen, hätte ich die Furcht und Ungewissheit der Schüler durch den Fehl-Amokalarm nicht in Ansätzen auch selbst gespürt. Wie geht es weiter in Ihrem Leben? Darüber kann ich gerade wenig mehr sagen, als dass ich bald 20 werde und wohl nie mit dem Schreiben aufhören werde. Sie studieren nebenbei? Ja. Im Moment studiere ich Sprechkunst an der Musikhochschule in Stuttgart. Das hilft nicht nur für die Lesungen, sondern auch bei der Entdeckung anderer Autoren und deren Texte. Verraten Sie, worum es in Ihrem zweiten Roman gehen wird? Nein, das bleibt mein Geheimnis.

x