Pirmasens Starke Frauen braucht das Land

Spricht über Frauenschicksale: Suzanne Bohn.
Spricht über Frauenschicksale: Suzanne Bohn.

Oft sind es Tragödien, über die Suzanne Bohn berichtet, doch ist der Abend auch voller Humor. Die in Frankreich geborene Germanistin kreiert mit Sex, Crime & Passion eine facettenreiche Lesung und fesselt ihr Publikum mit Neugierde und der Lust auf Mehr. Mit „Frauenleben – Fragmente“ feiert Pirmasens ein wenig verspätet den Internationalen Frauentag. Zur Lesung hatten Stadtbüchereileiterin Ulrike Weil und die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Pirmasens, Angelika Fallböhmer, eingeladen. Und in den gut besuchten Carolinensaal hat sich sogar ein Mann getraut.

Suzanne Bohn vereint spannende Dramen und Sozialstudien mit ihren Kommentaren und gibt darüber hinaus noch wertvolle Buchtipps. Besonders nimmt sie der Fall der 32-jährigen Französischlehrerin Gabrielle Russier aus Marseille mit, die einen 14 Jahre jüngeren Schüler liebt. Und er sie. Angeklagt, verurteilt und geächtet kommt sie ins Gefängnis. Als sie endlich frei ist, dreht sie in ihrer Küche den Gashahn auf und stirbt. Denn das Schlimmste für sie ist, ihre Würde zu verlieren. „Ein Mann wäre straffrei ausgegangen“, mutmaßt Suzanne Bohn, auch mit Blick auf die Affäre von Camille Claudel mit Auguste Rodin, der 24 Jahre älter war als seine Schülerin, Geliebte und Muse. Mit einem Augenzwinkern verweist sie auf den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, der mit einer 24 Jahre älteren Frau liiert ist, seit er 15 ist. Heute ist die ehemalige Geliebte des Politikers die First Lady Frankreichs, seine Frau. Das lasse die Frauenwelt doch hoffen, bemerkt die Germanistin mit einem Lächeln, dass es offenbar eine Evolution in der Kulturgeschichte gibt. „Liebende soll man nicht trennen. Sie gehören zusammen“, plädiert sie mit Leidenschaft. Aber auch andere emotionale Bindungen bringt Suzanne Bohn zur Sprache. Sie thematisiert Annie Ernaux und ihrem Vater, zwischen denen sich eine soziokulturelle Kluft auftut, nur weil die Tochter studiert. Er hat Minderwertigkeitskomplexe, sie schämt sich vor ihrem akademischen Mann für ihren Vater, aber auch dafür, dass sie ihn mit ihrem Verhalten verrät. Tief emotional ist auch die Geschichte von Gisèle Halimi und ihrer Enkelin Maude. Man könnte meinen, es sei ein tragischer Abend gewesen. Und thematisch war er es in gewisser Weise auch: Unglückliche Lieben, Verrat und Rachsucht. Dennoch hängt das Publikum Bohn begeistert an den Lippen. Weil ihr Vortrag emotional, authentisch und humorvoll ist. Die Französin mit dem charmanten Akzent erzählt nicht nur weibliche Biografien und Schicksale. Sie bietet Unterhaltung, die anhand von Literatur, Geschichte und Zitaten Frauengeschichte, ja Kulturgeschichte schreibt. Als Zugabe gibt es Komödiantisches. Suzanne Bohn erzählt – apropos „Me-too-Debatte“ – von der Schauspielerin Pauline Carton, die, überzeugt von ihrer Hässlichkeit, freiwillig nach Hausmädchen-Nebenrollen strebt. Einen Vorteil habe ihre Kartoffelnase eben doch: Wegen ihrer Hässlichkeit verdanke sie ihre Karriere nicht der Prostitution. Es täte ihr auch leid, wenn ihre zahlreichen Chefs im Laufe ihrer Karriere den übermächtigen Mut bewiesen hätten, als Austausch gegen die sympathischen Nebenrollen in den Genuss ihrer intimen Reize zu kommen. Hier schließt sich die dramaturgische Klammer Bohns, die allerdings gleich Stoff für weitere Porträts eröffnet. Zum Glück hat die Germanistin, die als Literaturübersetzerin tätig ist, begonnen, Lesungen zu halten., denn auch als deutsch-französische Kulturvermittlerin agiert Bohn wunderbar. Ihre kleinen Botschaften, die sie in jedem Beitrag versteckt, kommen an. Schön, dass auf die Premiere von Suzanne Bohn in Pirmasens wahrscheinlich eine Fortsetzung folgt.

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