Pirmasens „Sie erleben wirklich Dada für Pirmasens“

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Die SWR-Moderatorin Kerstin Bachtler und der Slam-Moderator Bodo Redner, die schon häufig als Rezitatoren-Duo „Text-Taxi“ in Pirmasens aufgetreten sind, sind beide profunde Kenner der Poetry-Slam-Szene. Für den Poetry-Slam-Wettbewerb am Freitag, 24. Juni, ab 20 Uhr, in der Festhalle haben sie junge und alte Dichterinnen und Dichter eingeladen, neue Dada-Texte im Rahmen des Pirmasenser Dada-Jahres auf die Bühne zu bringen. Das Publikum wird anschließend per Akklamation die Sieger bestimmen. Unser Mitarbeiter Fred G. Schütz hat sich mit Kerstin Bachtler über Dada, die Slammer-Szene in der Pfalz und literarisch/musikalische Grenzüberschreitungen unterhalten.

Ist die Moderation beim Poetry Slam eine Leistung des Text-Taxis?

Es ist nicht primär eine Leistung des Text-Taxis, das Text-Taxi freut sich aber, dass wir dieses Mal als Moderatoren nach Pirmasens eingeladen wurden. Ansonsten sind wir ja immer selbst Künstler, und es hat natürlich etwas mit unserer Tätigkeit als Rezitatoren zu tun. Das Tolle daran ist aber, dass Bodo Redner, mein Partner beim Text-Taxi, ein erfahrener Slam-Moderator ist. Er hat an seinem Heimatort Kirrweiler in der Südpfalz schon mehrere Poetry Slams veranstaltet und geht auch seit Jahren auf Poetry Slams, ich ebenfalls. Vor allem Bodo kennt sich sehr gut in der Szene aus. Nur deshalb hatte ich auch den Mut, als mich Sonja Mäß vom Pirmasenser Kulturamt fragte, ob wir die Moderation übernehmen könnten. Es hat sich jetzt auch ausgezahlt, weil Bodo auf den einschlägigen Slam-Foren im Internet den Kontakt zu den Autoren hergestellt hat und wir nun eine sehr illustre Runde zusammen haben. Wer nimmt denn teil? Nennen Sie doch mal ein paar Namen. Unter anderem ist dabei Artem Zolotarov, der amtierende rheinland-pfälzische Poetry-Slam-Meister, dann Peter Bär aus Bamberg. Der Mann ist mittlerweile 66, hat ganz viele Slams hinter sich und war Statist an der Seite von Christoph Waltz im Hollywood-Film „Die drei Musketiere“. Ein toller Typ. Dann ist auch Jan Coenig aus Frankfurt dabei, der schon selbst veröffentlicht hat; dann liest Axel Gundlach aus Frankfurt, und, was uns besonders freut, es kommt Claudio Zemp aus Zürich. Wir feiern ja auch 100 Jahre Cabaret Voltaire, Zürich, Spiegelgasse 1. Zemp betreibt in der Schweiz einen Schreibgarten und hat selbst viele Bücher veröffentlich. Nebenbei ist er ein ganz erfahrener Slammer. Waren Sie vom Zuspruch überrascht? Ja, damit hatten wir im ersten Moment nicht gerechnet, denn bei Slams weiß man ja nie, wer sich anmeldet und wer sich für ein Thema interessiert. Normalerweise kann ja bei einem Slam jeder vortragen, was er will, aber hier gibt es ja die Vorgabe, es soll ein dadaistischer Slam sein. Wir haben den Autoren aber gesagt, ihr seid frei, beim Thema Dada geht ganz vieles, und ihr müsst nicht wie Hugo Ball dichten. Aber natürlich geht es darum, mit der Sprache zu spielen, mit dem Rhythmus, vielleicht eine eigene Sprache zu erfinden, so wie auch Hugo Ball damals. Was ihr auch immer heute mit dem Erbe von Hugo Ball, macht, wir sind gespannt darauf, was an Neuem kommt. Ich weiß aus den E-Mails, die uns erreicht haben, das war alles schon Dada pur. Sie sind ja von Hause aus Literaturwissenschaftlerin. Da weiß man, dass das Thema Dada vor allem im angelsächsischen Sprachraum viel präsenter ist, als bei uns. War es schwierig, die Leute für diesen Dada-Kontext zu gewinnen? Erstaunlicherweise überhaupt nicht, obwohl wir das erwartet hatten, weil Dada in Deutschland den Ruf hat, immer so intellektuell, so nicht-lustig und unverständlich zu sein. Das haben wir auch bei unserer eigenen Dada-Veranstaltung gemerkt Die Slammer hatten da überhaupt keine Berührungsängste. Allerdings sind das erfahren Schreiber und Autoren, die wissen, was Dada ist. Und die wissen vor allem auch: Es ist lustig und schräg, aber nicht abgehoben und auf gar keinen Fall trocken, sondern höchst unterhaltsam. Kann man sagen, dass es die erste Garnitur der Slammer ist, die da nach Pirmasens kommt. Oft sind Slams ja eine reine Amateur-Veranstaltung? Es freut uns sehr, das hier wirklich erfahrene Autoren kommen, was auch daran liegt, das Bodo Redner weiß, wen man anspricht. Es kommt wirklich die erste Sahne. Wo ist die spezielle Herausforderung für Sie, wo Sie ja dieses Mal nur moderieren und damit in einer dienenden Rolle auf der Bühne stehen? Das empfinden wir überhaupt nicht als dienend. Wir haben ganz große Ohren und hören mit großer Begeisterung zu. Es ist ja Literatur, die gerade jetzt neu entsteht, zum Teil für uns geschrieben wird, was uns mit großem Stolz erfüllt. Live zuhören zu dürfen, ganz nah dabei sein, das ist ein ganz großer Spaß und ein riesen Genuss. Jetzt kommt zur Poesie ja auch noch die Musik von der Band Shaian dazu? Ja, ganz genau. Shaian ist ein multikulturelles Bandprojekt von Flüchtlingen, das es noch gar nicht so lange gibt. Es wurde von Dagmar Kern und Michael Halberstadt gegründet. Die beiden haben gesehen, dass unter den Flüchtlingen viele Leute sind, die in ihrer Heimat eine klassische Musikausbildung genossen haben, die Klavierlehrer waren oder ein uns fremdes Instrument beherrschen. Die haben bei der langen Nacht der Kultur in Kaiserslautern gespielt, und das Publikum war total begeistert. Die Band passt deshalb so gut zu Dada, weil sie musikalische Grenzen überschreitet. Die Band begleitet auf ihren traditionellen Instrumenten beispielsweise einen westlichen Pop-Song und bringt dabei ihre eigenen Traditionen ein. Das ist dieses Über-die-Grenzen gehen. Und sie haben sogar ein Lied speziell für den Dada-Slam geschrieben. Wie muss man sich den Ablauf des Abends vorstellen? Es wird nacheinander je zwei Vortragende geben, man hört zwei Texte, dann kommt wieder Musik. Wir haben derzeit neun Autoren, zwei mussten uns wegen anderer Verpflichtungen absagen, leider auch die einzige Frau, die in der Zeit einen Film dreht. Aber alles in allem ist das trotzdem ganz gut, weil man Zeit hat, um zwischendrin mit den Slammern über Dada von heute zu sprechen. Wir werden wohl ein Programm von zwei Stunden haben. Welches Publikum erwarten Sie für diesen Abend? Bodo Redner hat bei den Slams, die er in Kirrweiler veranstaltet, Autoren zwischen 17 und 80 gehabt, deshalb war das Publikum sehr breitgefächert. Ich vermute, dass das bei uns auch so sein wird. Ich glaube, dass wir Jugendliche ansprechen, denn ein Poetry-Slam ist was für Jugendliche. Auf der anderen Seite ist Dada ganz aktuell, zumal in Pirmasens, so dass es etwas ganz Spannendes für Kulturinteressierte jeden Alters sein wird. Das Publikum erlebt wirklich Dada für Pirmasens, inspiriert von Hugo Ball und anderen Dadaisten, das kriegt man sonst nicht.

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