Pirmasens Mittlerin zum Reich der Mitte

91-80317029.jpg

In China hat sie ein Büro, in Hongkong und in Pirmasens einen Schreibtisch. Bärbel Lellbach pendelt für Wawi zwischen der Pfalz und dem asiatischen Kontinent, wo sie das chinesische Werk des Süßwarenherstellers mit verantwortet. Seit 20 Jahren ist sie Mittlerin zwischen diesen Welten – ein Job, bei dem garantiert keine Langeweile aufkommt.

Wenn Bärbel Lellbach erklärt, was Wawi in China produziert, kann sie sich begeistern. Denn dort, sagt sie, erfüllten sie ganz spezielle Kundenwünsche. Ob es das flache Schokoladenherz in pinkfarbener Folienverpackung ist, Schoko-Blumen, das Krönchen mit bunter Dekoration, Mini-Donuts, Sticker mit bunten Botschaften, eine „Star Wars“-Maske oder Disney-Figuren: Alles wird hier auf Kunden zugeschnitten. „Wir fangen mit nichts an, entwerfen Formen und am Ende ein ganz neues Produkt“, sagt Bärbel Lellbach. Standard stellten sie nicht her, meint sie, Anfragen für große Mengen oder ganz normale Osterhasen verweise sie etwa nach Deutschland. Verkehrte Welt: Aufwändige Produkte mit viel Handarbeit oder Kleinstserien entstehen in China, süße Massenware wird vollautomatisch in Münchweiler produziert. Ja, sagt Bärbel Lellbach und lacht, dieses Bild existiere in vielen Köpfen: dass China nur verlängerte Werkbank des Westens für Massenproduktionen sei. Doch das stimme längst nicht mehr. China sei kein Billigstlohnland mehr und auch teurer geworden, wolle selbst innovativ sein. Das Negativbild im Westen, geprägt vor allem durch Schadstoff belastete Spielwaren, habe sich allerdings gehalten, obwohl China viele Betriebe geschlossen habe. Das spüre die chinesische Wawi-Produktion auch heute noch – mancher potenzielle Kunde sei skeptisch gegenüber Lebensmitteln, die in China produziert werden. Dabei seien sie auch in China an strenge Qualitätsvorgaben gebunden, betont Bärbel Lellbach. „Wir müssen durch Audits, müssen europäische, US-amerikanische und internationale Standards einhalten – wir bei Wawi sowieso.“ Denn die in China produzierten Schokoladeprodukte werden auf der ganzen Welt verkauft, mal in Australien und Japan, mal in Europa, derzeit vor allem in den USA; der chinesische Markt selbst ist überschaubar, soll ausgebaut werden. Kunden sind große Supermarkt-Ketten oder Zwischenhändler mit Lizenzen von Disney oder Universal, nach deren Wünschen Wawi Figuren fertigt – „die können Design, wir Schokolade“, sagt Bärbel Lellbach. Dass sie mal eine chinesische Schokoladenproduktion mitverantworten würde, hätte sie vor 21 Jahren nicht gedacht. Im März 1995 heuerte die junge Frau aus Kaiserslautern als Praktikantin bei Wawi an, nachdem sie ihr Studium der Sinologie (Chinakunde), kombiniert mit Volkswirtschaftslehre, abschlossen hatte. Denn Wawi hatte Ende 1994 angefangen, in Xiamen im Südosten Chinas eine Produktion aufzubauen – das erste Auslandsengagement des Unternehmens, das damit zu den frühen Investoren in China zählt. Wawi-Chef Walter Müller hatte gleich eine 60-prozentige deutsche Beteiligung für das Joint-Venture herausgeschlagen, was damals unüblich war; inzwischen ist die Produktion ganz in Wawi-Hand. Für Bärbel Lellbach jedenfalls war klar: sie wollte in China arbeiten. Und so kam es. Wenige Wochen später flog sie mit dem Chef nach China; Müller kehrte zurück, Lellbach blieb, zunächst für einige Monate. Daraus wurden Jahre. Die ersten Aufträge, noch vermittelt über den Chef, liefen ein, die Produktion langsam an. Strukturen mussten aufgebaut, ein Qualitätsmanagement eingerichtet werden. Einfach war der Anfang nicht, erinnert sich die 50-Jährige. Computer gab es nicht, eine mechanische Schreibmaschine musste erst besorgt werden, kommuniziert wurde per Fax. Ihre wichtigsten Ansprechpartner vor Ort, der General Manager und der Produktionsleiter, sprachen damals noch kaum Englisch. Also lief die Kommunikation für Wawi über die chinesisch sprechende Bärbel Lellbach, die damit zur Mittlerin zwischen China und Deutschland wurde. Zusammenfinden musste sich auch das ungleiche Führungstrio. Doch ein Besuch des General Managers in Deutschland, bei dem die Kollegin die Reiseführerin gab, brach das Eis – auch dank der Unterstützung des Chefs, erinnert sie sich. Nicht der kulturelle Unterschied, sondern das menschliche Miteinander spielt für Bärbel Lellbach die entscheidende Rolle. „Es sind überall Menschen, und mit denen muss ich umgehen“, sagt sie. Dass sie die andere Kultur kennt, hat es aber natürlich einfacher gemacht. Schon während ihrer Auslandssemester in China Ende der 80er hat sie allein mit Rucksack das Land bereist. „Eine wahnsinnige Erfahrung“ – und eine mit schönen Begegnungen: „Egal, wo ich hinkam, ich war nie alleine.“ Dass sie Land und Leute kennt, hilft auch bei der Produktionsplanung. Denn die bis zu 250 Mitarbeiter – meist Wanderarbeiter – haben ihren eigenen Rhythmus: Zum Frühlingsfest im Februar verlassen sie ihre Arbeit und fahren zu ihren Familien, die sie oft lange nicht sehen. Das ganze Land sei in Bewegung, Produktionen würden gedrosselt, erzählt sie. Und nicht alle kehrten danach an ihren Arbeitsplatz zurück; nur 30 bis 40 ihrer Leute kämen stets wieder. Seit 2015 sei aber die Fluktuation nicht mehr so hoch wie in den Jahren zuvor – Zeichen dafür, dass der chinesische Arbeitsmarkt angespannter sei. Geschäfte werden in China übrigens bei einer Teezeremonie gemacht. Und deren Abschluss wird speziell gefeiert: mit viel, viel Alkohol. Da müsse man mithalten, erinnert sich Bärbel Lellbach an einen denkwürdigen „Happy happy“-Abend, an dem sie tapfer mitgehalten hatte – und just der Chef aus Deutschland anrief. Das sei bestimmt Bürogespräch in Pirmasens gewesen, blickt sie amüsiert zurück. Ein Büro hat sie übrigens nicht nur in China. In der Niederlassung Hongkong, die sie leitet, habe sie einen Schreibtisch, erzählt sie, und in Pirmasens auch wieder – seit 2008 hat sie ihren Lebensmittelpunkt erneut in der Westpfalz, wo Eltern und Tochter leben. Die Verbindungsfrau nach China ist sie geblieben: Alle paar Wochen fliegt sie hin. Als Pendlerin zwischen West und Ost.

91-81090064.jpg
x