Pirmasens Interview zu Pirmasenser Einzelhandel: „Die meisten Läden sind zu klein“

Die Pirmasenser Fußgängerzone gestern Mittag.
Die Pirmasenser Fußgängerzone gestern Mittag.

Markus Epple, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Markt und Standort, hat das Pirmasenser Einzelhandelskonzept fortgeschrieben. Die Diskussion im Stadtrat darüber steht noch aus. Wir haben mit ihm über das 100-Quadratmeter-Problem, fehlende Sortimente und das Thema Citymanager gesprochen.

Sie haben sich jetzt neun Monate mit dem Einkaufsstandort Pirmasens befasst. Blicken Sie eher sorgenvoll auf die Fußgängerzone oder geht in Pirmasens noch was?

Wir haben eine relativ gute Kaufkraftbindung, sollten die aber stärken. So lange H & M sagt, ich mache hier meine Zahlen, kann es nicht schlecht sein. Wer hat denn noch wie Pirmasens ein hochqualitatives Haushaltswarengeschäft und ein Top-Möbelhaus in der Innenstadt? Aber wir bräuchten noch mehr. Was ist das Hauptproblem? Die Immobilieneigentümer denken noch zu sehr klein-klein. Deshalb war die Stadtgalerie nichts Verkehrtes. Der Grundgedanke, das gemeinsame Handeln und das Verknüpfen von Immobilien, der war richtig. Der Lerneffekt muss sein, dass sich Immobilienbesitzer zusammenschließen, beispielsweise bei Erdgeschossflächen oder energetischen Sanierungen. Das Hauptproblem ist, dass wir zu wenig marktfähige Ladenflächen haben, zumindest in der Form, dass wir sie aktiv bewerben können. Da hat Ihnen der Landtagsabgeordnete Thomas Weiner, der vom Fach ist, direkt widersprochen. Er sagt, das sei Quatsch. Wer hat recht? Wir brauchen natürlich nicht nur große Flächen. Aber wir haben zu viele kleine Flächen, das wäre in München perfekt. Dort wären die alle voll. Hier brauchen wir aber auch Filialisten, die eine gewisse Magnetfunktion ausüben, und die kommen erst ab 300 Quadratmeter, plus Lager, plus Sozialraum, plus Toiletten. Pirmasens braucht einen Mix aus Läden, große und kleine. Sind zu viele Ladenlokale nicht attraktiv genug? Die meisten Läden sind zu klein. Die kann ich keinem Filialisten anbieten. Damit verprelle ich auch einen Standort. Irgendwann sagen die Filialisten, Pirmasens streichen wir von unserer Liste, wenn sie nur Offerten für bis zu 100 Quadratmeter große Läden erhalten. Ist das Angebot noch gut? Noch ja. Aber es ist wirklich Zeit, dass die Immobilienbesitzer die Zeichen der Zeit erkennen. Ich hätte mir gewünscht, dass sich nach der Absage der Stadtgalerie drei, vier Immobilienbesitzer zusammentun. Das Verharren bringt nichts. Hier fehlt der Mut. Die Stadt hat super Instrumentarien, die Sanierungssatzung beispielsweise, womit sie Immobilienbesitzern helfen kann. Welche Sortimente fehlen? Sport, Schuhe, Bekleidung. Mit jedem Bekleidungsgeschäft mehr ziehe ich weitere Kunden von außen an. Wir haben zwar eine super Versorgung mit Schuhen durch die Outlets, aber dort, wo die Menschen ihre Kleidung kaufen, ist sie nicht ausreichend. Schuhe wären ein schönes ergänzendes Sortiment, aber einen großen Filialisten werden wir mit dem Outletangebot nicht bekommen. Wichtig wäre, dass sich das Angebot insgesamt hochschaukelt. Mehr Bekleidungsgeschäfte bedeuten mehr Qualität, mehr Attraktivität – und dann profitieren alle. Dann rechnet sich auch noch ein Café. Fehlt in der City Gastronomie? Bei der momentanen Frequenz kann es nicht mehr geben. In der Gastronomie muss heute mit spitzem Stift gerechnet werden. Da sehe ich für Pirmasens nur zwei Wege: Entweder ein örtlicher Gastronom traut sich an eine Ausgründung. Oder man versucht eine Kette anzuziehen, so etwas wie „Mister Black“. So etwas wie Starbucks kriegen sie nicht in eine Mittelstadt wie Pirmasens. Worauf kommt es in Zukunft an, Qualität oder Quantität? Das Credo muss Qualität sein. Modernes Ladeninterieur, eine gute Schaufenstergestaltung, Lichtspiele im Laden, gute Beratung, das sind ganz wichtige Punkte. Damit kann man Kontrapunkte zum Onlinehandel setzen. Da können die Händler von den Ketten lernen. Auch in ebenerdige Eingänge müsste in Pirmasens investiert werden. Für Familien mit Kinderwagen und Ältere mit Rollator ist jede Stufe ein Hindernis. Es müssten sich mal ein, zwei Immobilienbesitzer etwas trauen und Impulse setzen. Das Konzept, dass Läden zusammengelegt werden müssen, muss verstanden werden. Die Stadtverwaltung kann für saubere Straßen sorgen, das Pflaster sanieren, Blumenkübel aufstellen. Aber für das Wohlfühlen in den Geschäften müssen die Laden- und Immobilienbesitzer sorgen. Dazu müssen sie mal in andere Städte fahren und sich Anregungen holen. Pirmasens ist nicht unten, aber auch nicht oben. Die Stadt muss sich weiterentwickeln, damit das Image positiv besetzt bleibt. Kann ein Citymanager helfen? Er erledigt keine Wunderdinge, aber er kann helfen, die Kommunikation zu verbessern. Ihn bei der Stadt anzusiedeln, macht aus meiner Sicht keinen Sinn. Besser beim Gewerbeverein oder direkt beim Handel. Die Stadt kann Zuschüsse geben, der Citymanager aber sollte selbst, so läuft das in Darmstadt, Gelder akquirieren und Sponsoren suchen. Er könnte die Immobilienbesitzer zusammenbringen, klar machen, dass es auf Dauer nicht reicht, wenn oben vermietet ist. Irgendwann kippen diese Häuser. Er kann Handels- und Gastronomieansiedlungen vorantreiben, sich um Fördergelder bemühen. Das macht großen Sinn, dass sich darum jemand kümmert. Was ist beim neuen Einzelhandelskonzept anders? Gleich ist, dass wir die Innenstadt prioritär weiterentwickeln wollen. Damit hat jeder Planungssicherheit. Aber die zentrale Innenstadt ist kleiner geworden, sie geht nur noch bis zur Sandstraße. Empfehlen Sie, in der unteren Hauptstraße, wo die Post ist, ein Stück der Fußgängerzone wegzunehmen? Nein. Wir wollen die Aufenthaltsdauer erhöhen. Das schafft man nicht, indem man durch die Fußgängerzone Autos fahren lässt. Was ist mit Standorten außerhalb der Innenstadt, wie der Zweibrücker Straße. Erhalten Immobilienbesitzer dort jetzt mehr Gestaltungsfreiheit? Wir haben den Bestandsschutz für die Betriebe so angepasst, dass sie sich entwickeln können, sie können modernisieren, auch an der Gebäudehülle. Ich will da draußen keinen Leerstand. Nur vergrößern dürfen sie nicht einfach so. Hier sollten die Betreiber in Zukunft mit der Verwaltung in konstruktiven Kontakt treten, im Rahmen der Bauleitplanung sind immer kreative Lösungen möglich. Die schließt das Einzelhandelskonzept nicht aus. Nur das Weiterwurschteln ohne Absprache wie bisher soll es nicht mehr geben. Was geht jetzt außerhalb der Innenstadt? Zooartikel, Bettwäsche, Tiernahrung, Baby- und Kinderbedarfe, Gardinen, Lampen sind keine innenstadtrelevanten Sortiment mehr. Wird der Handel von der Jugendherberge profitieren? Sie wird ganz positive Effekte bringen. Wenn jeder Gast in der Stadt nur 2,80 Euro ausgibt, ist das bei 25.000 Übernachtungen viel Geld, das der Handel und die Gastronomie vorher nicht hatten. Die Gäste sind auch Werbebotschafter, die stellen Fotos von der Stadt in Facebook. Bislang kommen die Touristen in der Region in Pirmasens nicht an. Das ist ein Vermarktungsproblem, da fehlt die Dachmarke Pfälzerwald. Mit einem Tourismusverbund könnte ich die Leute gezielt auch aus dem Wasgau nach Pirmasens leiten, ihnen Tourenvorschläge an die Hand geben. Was Pirmasens schon haben könnte, sind die Schnäppchentouristen, die in die Schuhoutlets fahren, zu Wawi. Denen könnte ich Rabatte anbieten, wenn sie in die Innenstadt kommen.

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