Pirmasens „Für das Leben im Tourbus bin ich zu alt“

Das gibt es nicht so oft, nicht in der Westpfalz und schon gar nicht, wenn man aus Clausen stammt: Timo Melzer war A-Jugendfußballer beim FK Pirmasens, hat mit ihm im Finale des DFB-Junioren-Vereinspokals 2000/2001 gegen den VfB Stuttgart 1:5 verloren, ging nach der Saison 2002/2003 beim FK Clausen nach Hamburg zum Oberligisten FC Victoria und ist heute einer der richtig gut gebuchten Musical-Darsteller Deutschlands, etwa bei Groß-Produktionen wie „Mamma Mia“. Letztes Jahr war er in Pirmasens beim Auftritt der „Zwölf Tenöre“ kurzfristig eingesprungen und steht derzeit in der Produktion „Männer“ im Karlsruher K2 auf der Bühne. Unser Mitarbeiter Fred G. Schütz hat sich mit Timo Melzer über Heimat, Spaß an der Freude und Fußball unterhalten. Timo Melzers Vater übrigens ist Werner Melzer, der Rekordbundesligaspieler des 1. FC Kaiserslautern.

Ich meine mich erinnern zu können, dass Sie bei Ihrem Auftritt im letzten Jahr mit den „Zwölf Tenören“ gesagt haben, Ihnen ginge langsam der Dialekt aus…?

Nein, nein – es ist immer nur das Switchen, wenn ich die ganze Zeit Hochdeutsch schwätze und dann mal nach Hause zurückkomme oder ich – wie jetzt – in Karlsruhe spiele. Sie sind ja trotz der durchaus schwierigen Lage von Berufsmusikern recht gut gebucht. Was mögen Sie mehr, die große Freiheit oder die Anstellung in einem festen Ensemble? Ich bin ja nicht in einem festen Ensemble, ich fahre ab und zu sogar zur See, beispielsweise mit der Aida. Man muss halt auch sehen, wie das Geld reinkommt. Ich versuche, mir da alles offen zu halten. So eine Long-Run-Produktion ist immer so eine Sache, man ist dabei nicht mehr so sehr Darsteller, sondern eher ein Fließbandarbeiter. Nach zweieinhalb Jahren in dem Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch nie in Amerika“ hatte ich richtig den Spaß an dem Ganzen verloren. Das war acht Mal die Woche genau dasselbe – und das über zweieinhalb Jahre. Die Freiräume sind ja bei großen Musicalproduktionen doch stark eingeschränkt. Das ist doch etwas anderes, als etwa mit einer Rockband aufzutreten? Ja, da ist jede Handbewegung, jeder Blick festgelegt. Jetzt beim Karlsruher Kammertheater ist es ja das Schöne, dass man sich gerade in der Probenzeit ausprobieren kann, so dass jeder sein Bestes einbringt. Bei Udo Jürgens oder „Mamma Mia“ ist jede Handbewegung gesetzt, da gibt es überhaupt keinen Freiraum, und wenn es Vorgänger gibt, dann macht man das so, wie die 50 vor einem auch. Bei Udo Jürgens war ich im Premierenensemble, was aber heißt, dass die, die nach mir gekommen sind, genau das gemacht haben, was ich gemacht hatte. Wo kommen Sie musikalisch her, haben Sie ursprünglich im Chor gesungen oder in einer Band? Ich habe schon immer gerne gesungen. Ich erinnere mich grob, dass ich in der zweiten Klasse mit meiner besten Freundin, der Jessica Mutter aus Clausen, ein Duett gesungen habe: „Joseph, lieber Joseph mein, lass mich helfen wiegen dein Kindelein…“. Das war meiner erster Auftritt, an den ich zumindest Erinnerungen habe. Meine Schwester hatte immer Musik gehört, wenn wir zu meinen Fußballspielen gefahren sind. Da haben wir dann zusammen gesungen und ich merkte, dass ich ein ganz gutes Gefühl dafür habe. Für die Backgroundsänger habe ich immer die Stimmen rausgehört. Irgendwann bin ich dann in den Chor des Pirmasenser Leibniz-Gymnasiums gegangen. In der Oberstufe fragte unser Musiklehrer, ob ich nicht ein paar Soli singen wollte. Im ersten Jahr habe ich dann schon „Sunset Boulevard“ gesungen und „Time Of My Life“ – alles noch beim Musikabend des Leibniz-Gymnasiums. Sie hatten dann eine Ausbildung als Sänger? Meine Mutter hatte mich irgendwann zu einem Musical-Workshop angemeldet. Dazu bin ich nach Hamburg gegangen zur Stage School Of Music, Dance And Drama; das waren erst eineinhalb Wochen und es hat mir so gut gefallen und ich hatte so viel Spaß, dass ich gesagt habe: Mutter du bist selbst schuld, jetzt gehe ich dahin und probier das mal aus. Während der Zeit habe ich in Hamburg auch noch parallel bei der Victoria in der Oberliga Fußball gespielt. Stimmt, da war ja auch noch der Fußball…? Klar, am Anfang Clausen, Leimen – in der Jugend halt. Und dann bin ich nach Bärmesens zum FKP mit Jochen Hartmann, der auch heute noch in Leimen spielt und Trainer ist. Vom FKP musste ich dann weg, weil ich in der Bundeswehr war und nicht mehr so viel trainieren konnte. Ich ging dann wieder nach Clausen und von dort aus in die Oberliga nach Hamburg zum FC Victoria. Das ist der alte Verein von Walter Frosch, ein alter Fußballprofi, der auch zusammen mit meinem Vater gespielt hat. Was tat sich dann musikalisch? Ich hatte schon im ersten Jahr auf der Schule in Hamburg eine Band gegründet. Wir nannten uns „Heart, Soul And Voices“ und haben auch heute noch Kontakt. Irgendwann sagten die Lehrer, ich müsste mich entscheiden: Fußball oder Musical. Ich war im Fußball nicht schlecht, habe aber gemerkt, dass es bis ganz nach oben nicht reicht. Aber entweder mache ich etwas richtig oder ich mache es gar nicht – also habe ich mich für das Musical entschieden. Und Fußballspielen kann ich immer noch aus Spaß nebenbei. Letztes Jahr waren Sie bei den „Zwölf Tenören eingesprungen, das ist ja auch nicht ohne… Mittlerweile bin ich relativ fix und da ich mittlerweile auch viel a cappella gemacht habe, ging das recht gut. Das hatte viel Spaß gemacht – aber ich möchte nicht vier bis fünf Monate mit der ganzen Gruppe auf Tour gehen. Jeden Tag im Tourbus zu sitzen, über so viele Monate – dazu bin ich zu alt, ich werde jetzt 32. Außerdem kommt im November meine Tochter auf die Welt. Sie wohnen in Hamburg, spielen aber jetzt bei „Männer“ im Kammertheater in Karlsruhe. Das Stück muss Ihnen also Spaß machen. Ja, genau, das ist der größte Spaß, den ich bis jetzt hatte – wir haben so viel Freiraum, eine so tolle Zeit. Auf die Bühne sind wir so ganz unterschiedliche Charaktere, fünf Männer im Fußballstadion, die über ihre Gefühle singen. Wir haben so viel Spaß, dass wir befürchteten, die Leute könnten das gar nicht witzig finden. Aber die Leute sagen uns jedesmal, sie hätten in ihrem Leben selten so gelacht und so viel Spaß gehabt. Es lohnt sich also auf jeden Fall – man sollte es sich auf jeden Fall mal angeguckt haben. Gibt es ein Musical, das Sie unbedingt noch spielen wollen? Die „West Side Story“ zum Beispiel? Nein, die eigentlich nicht. Es gibt so viele schöne Musicals. „Sweeny Todd“ zum Beispiel hat ganz tolle Musik und so langsam interessiert mich auch mal wieder das „Phantom der Oper“. Ja, das wäre schon schön. Aber es geht mir erst einmal darum, Spaß zu haben. Das ist mir wichtiger, als irgendeine spezielle Rolle zu haben oder in einer Groß-Produktion mitzuspielen. Ich nehme das, was kommt – vorausgesetzt es passt. Dafür habe ich dann schon mit Jan Fedder und mit Peter Heinrich Brix in „Neues aus Büttenwarder“ gedreht, was jedes Jahr an Weihnachten kommt. Ich bin Sprecher, habe in Karlsruhe etwas für Arte eingesprochen. Ja, ich bin recht vielseitig, bin nicht nur Sänger oder Darsteller, sondern versuche, mich überall einzubringen. Ich kümmere mich auch selbst um die Jobs und gehe dabei selten über eine Agentur. Ich habe immer noch so viel Spaß am Job und hoffe, ihn noch lange machen zu können.

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