Pirmasens „Die Artikel werden patriotischer“

Vor ziemlich genau 100 Jahren erklärte das Deutsche Reich Russland und zwei Tage später auch Frankreich den Krieg – der Beginn des Ersten Weltkriegs. Gut einen Monat zuvor, am 28. Juni 1914, wurde der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand von einem serbischen Nationalisten erschossen. Auch in Pirmasens herrschten damals turbulente Zeiten – obwohl die Stadt zunächst nicht unmittelbar vom Krieg betroffen war. Benjamin Ginkel hat mit Stadtarchivarin Heike Wittmer über die Anfänge des Ersten Weltkrieges in Pirmasens gesprochen.

Das Attentat von Sarajevo gilt als Auslöser des Ersten Weltkrieges, einen Monat danach, Anfang August, erklärte Deutschland Russland und Frankreich den Krieg. Ist Deutschland da Hals über Kopf in den Krieg gestürmt?

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat man ja mit einem europäischen Krieg gerechnet. Deswegen wurden wohl auch in unserer Region Statistiken darüber geführt, wo und wie viele Fahrzeuge oder Zugpferde vorhanden waren. Man war nicht unvorbereitet. Wie war die Stimmung zu Beginn des Ersten Weltkrieges im August 1914 in Pirmasens?
Nachdem der offizielle Mobilisierungsbefehl ausgegeben war, beschäftigten sich viele Berichte in der Zeitung mit dem Einzug der Truppen. Es gab auch Anzeigen, dass Unterwäsche und Socken günstig für die ins Feld ziehenden Soldaten zu erwerben wären. Auch über den Abtransport der deutschen Truppen vom Bahnhof Hinterweidenthal wurde berichtet. In dem Artikel werden alle Helfer und Spender, die den Truppen den Abschied so angenehm wie möglich gestalteten, genau beschrieben. Eifrig sind auch die Frauen im Deutschen Roten Kreuz engagiert. Ihnen war es zu verdanken, dass bereits im August 1914 in Pirmasens bis zu 280 Verwundete aufgenommen werden konnten, denn die Sammlungen von Betten, Waschzeug und die Einrichtung der Lazarette wurden zeitgleich mit der Mobilisierung gestartet. Wie hat die Presse damals in Pirmasens über den Kriegsbeginn berichtet?
Immer wieder wurde das Geschehen in Berlin beschrieben. Noch am 1. August beschrieb die Zeitung das Ankommen der kaiserlichen Automobile, wer wie winkt und wer wo sitzt. Auch dass die Menschenmenge jubelte und den Kaiser kaum durchlasse. Ab dem 4. August fand man in der Zeitung bereits Meldungen, die einen Kriegseinsatz von Deutschland als „Abwehr“ rechtfertigen. Die Artikel wurden daraufhin immer patriotischer und verbreiteten die „offizielle Meinung“ über die Kriegsgegner. Sie haben sich ja intensiv mit den Tageszeitungen vom August 1914 beschäftigt. Gibt es einen Artikel oder eine Anzeige, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Am 4. August schaltete der „Verein zur Unterhaltung“ eine Anzeige über eine außerordentliche Generalversammlung. Deren Zweck es war, das Vereinsvermögen der Stadt zum Ankauf von Lebensmitteln für Bedürftige zur Verfügung zu stellen. Gezeichnet wird die Einladung vom Vorstand, Isaak Wolfsheimer. Das zeigt, wie groß die Unterstützung für den Krieg quer durch die Gesellschaft war. Die Bevölkerung stand also voll hinter dem Krieg. Wann wurde der Erste Weltkrieg denn in Pirmasens zum ersten Mal so richtig spürbar?
Am 20. August trafen 21 Güterwaggons mit insgesamt 164 Verwundeten ein, die in der Stadt auf die drei Lazarette verteilt wurden. Da kamen die Pirmasenser mit dem Schrecken des Krieges in Kontakt. Die Todesanzeigen zuvor, die den Verlust gefallener Söhne beklagten, klingen noch allzu heldenhaft. Mit dem Eintreffen der Verwundeten wurde es jedem Pirmasenser schmerzlich bewusst, dass der Krieg seine Opfer gefordert hat und auch noch weiter fordern wird. Welche Quellen gibt es – abgesehen von der Zeitung – noch aus den Jahr 1914?
Neben dem Zeitungsbestand aus dieser Zeit stehen uns zehn Aktenkartons mit Originalunterlagen zur Verfügung, die verschiedene Sachthemen wie beispielsweise Kriegsanleihen und den Wohlfahrtsausschuss behandeln. Gibt es für Interessierte die Gelegenheit, sich in der Region intensiver mit dem Ersten Weltkrieg zu beschäftigen?
Ja, allerdings erst im Herbst. Vom 10. Oktober bis 15. November wird im Museum Simserhof in Frankreich eine gemeinsame Ausstellung vom Historischen Verein Pirmasens und dem französischen SHAL, Société d´Histoire et d´Archéologie de la Lorraine, Section du Pays de Bitche, in Bitsch zu sehen sein. Sie ist zweisprachig und behandelt das Thema aus Sicht der Bevölkerung des Lothringer Landes. Am Eröffnungstag wird auch eine gemeinsame Zeitschrift erscheinen, die verschiedene Artikel von Autoren aus beiden Vereinen zum Thema vorstellt. Darunter auch der Frontbericht von Hugo Ball, der später ja zum Kriegsgegner wird. Am 8. Oktober halte ich selbst einen Vortrag über die ersten 30 Tage nach der Mobilmachung unter Berücksichtigung der Pirmasenser Zeitung im Carolinensaal, und am 16. Oktober wird Joel Beck, der Vorsitzende des Bitscher SHAL, einen Vortrag zur Spionageaffäre zwischen Bitsch und Pirmasens im Simserhof halten.

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