Pirmasens Bereit für musikalische Entdeckungen

Wenn am Mittwoch, 19. August, im Weißenburger Kulturzentrum „La Nef“ die ersten Klänge von Dvoraks Streichquartett a-moll erklingen, startet ein Musikfestival, das in der weiteren Region seinesgleichen sucht. Bis zum 6. September werden insgesamt 25 Konzerte geboten. Künstler aus der ganzen Welt spielen in Weißenburg. Dabei kommen auch Stücke längst vergessener Komponisten, die selbst Fachleuten nicht geläufig sind, zur Aufführung.

Das Festival in der elsässischen Kleinstadt wird zum elften Mal veranstaltet und wie zuvor schon hat der Organisator Hubert Wendel wieder seine Kontakte spielen lassen, um erstaunliche Talente nach Weißenburg zu locken. 60 Musiker, vor allem sehr junge Musiker, werden hier spielen. Bei dem Programm werden selbstredend die üblichen Verdächtigen von Mozart, Beethoven, Bach oder Brahms zu hören sein. Wendel hat jedoch ein Faible für ganz besondere Stücke. So erleben die Besucher am Donnerstag, 20. August, mit „Le Sacre du Printemps“ Stravinskys Skandalstück in einer Fassung für zwei Klaviere. Oder am 27. August eine erst kürzlich entdeckte Version für Streichquintett und Klavier des vierten Klavierkonzerts von Beethoven. Bei den Komponisten darf sich das Publikum auf einige Entdeckungen freuen. Wendel hat in diesem Jahr mehrere zeitgenössische Komponisten ausgegraben, die im Dritten Reich vor der Nazidiktatur fliehen mussten und heute weitgehend unbekannt sind. Der Österreicher Ernst Krenek beispielsweise, der als „entartet“ gebrandmarkt wurde und in die USA fliehen musste. Der 1991 gestorbene Krenek arbeitete mit serieller Musik. Ähnlich erging es dem österreichischen Juden Erich Wolfgang Krongold, der in den 20er Jahren in Wien sehr große Erfolge mit seinen Opern feierte und auch in die USA fliehen musste, wo er lange Jahre als Komponist für Filmmusiken viele Streifen der Warner Brothers musikalisch mitgestaltete. Nach dem Krieg konnte Korngold in Europa nicht mehr an seine Erfolge der 20er Jahre anknüpfen. Die zeitgenössische und auch atonale Musik ist kein Schwerpunkt des Weißenburger Festivals. Die klassischen Stücke dominieren eindeutig. Der Programmmacher Hubert Wendel streut jedoch immer mal ein Stück Neuer Musik auf den Spielplan. So beispielsweise mit Paul Hindemith am Freitag, 21. August, oder am Folgetag mit dem Armenier Arno Babadschanjan, der als Komponist atonaler Kammermusik bekannt ist. Einer der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten aus Ungarn, György Kurtág, wird am 29. August gespielt und der erst vor zwei Jahren verstorbene Avantgardekomponist Henri Dutilleux erhält am 1. September mit einem Konzert eine Reminiszenz. Kuriositäten haben auch ihren Platz im Konzertprogramm wie die Cellosuite von Gaspar Cassadó, der eher als Cellist bekannt war, aber auch für sein Instrument selbst komponierte. Und einen Ausflug in den real existierenden Sozialismus stalinistischer Prägung unternimmt das Konzertpublikum am 1. September mit einer Sonate von Nikolai Mjaskowski. Der 1950 verstorbene Traditionalist arbeitete in der Stalin-Ära, war auch sechsfacher Stalin-Preisträger und schuf dem sozialistischen Realismus verpflichtete Werke wie zur Oktoberrevolution. Bei den 25 Konzerten kommen neben exzellenten Musikern auch exquisite Instrumente zum Einsatz. Unter anderem werden eine Vuillaume-Geige von 1853 oder eine Guarneri-Violine von 1730 erklingen. Ein Goffriler-Cello von 1701 hat einer der Musiker auch im Gepäck und die ältesten Instrumente werden ein 1680 gebautes Violoncello von Guarneri sowie ein Ruggieri-Cello von 1676 sein. Bei den Musikern konnte Wendel wie in den Vorjahren auch namhafte Kammerorchester engagieren. Das „Szymanowski Quartett“ aus Deutschland, die katalonische Formation „Gerhard Quartett“ und das französische „Ébène Quartett“ sind gern gesehene Formationen in Weißenburg. Bei den Musikern dominieren junge Künstler aus Frankreich, den USA, Ukraine, Belgien, Russland, Japan und Deutschland – und in diesem Jahr werden sie sehr jung sein. Der Schweizer Cellist Cristoph Croisé spielte schon mit 17 Jahren in der New Yorker Carnegie Hall und kommt jetzt mit 21 Jahren am 22. August nach Weißenburg. Der mit Abstand jüngste Interpret wird der 15-jährige US-Amerikaner Arthur Hinnewinkel sein, der bereits mit sieben Jahren sein Klavierstudium in Singapur begann und derzeit seine Studien in Paris vervollständigt. Ihm zur Seite gestellt wird beim Konzert am 6. September die 19-jährige Straßburgerin Elsa Klockenbring an der Violine. (kka)

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