Pirmasens Auf der Spur der Schuhe

In der Schuhfabrik Semler: Andreas Schäfer (links) von der Produktionsüberwachung erklärt die Abläufe.
In der Schuhfabrik Semler: Andreas Schäfer (links) von der Produktionsüberwachung erklärt die Abläufe.

Wer hier Wirtschaftsgeschichte erkunden will, muss vor allem eines sein: gut zu Fuss. Denn schon ein kleinerer Rundgang entlang der ehemals großen Schuhfabriken erfordert Treppensteigen in der Stadt, die immerhin über 137 Treppen verfügt. „Das ist der Treppenlauf“, witzelt denn auch ein Passant, der die Gruppe in der Kaffeegasse vorbeiziehen lässt. Etwa 50 Unternehmer und Führungskräfte sind an diesem Nachmittag unterwegs, eingeladen von der IHK der Pfalz, die sich bei „Wirtschafts-Wanderungen“ im Jubiläumsjahr mit ihren Mitgliedern auf Spurensuche begibt. Gestern nun in der Schuhstadt Pirmasens, wo IHK-Vizepräsidentin Birgit Neuhardt und Andreas Knüpfer, Hausherr des Dienstleitungszentrums Pirmasens, Gäste aus der ganzen Pfalz begrüßen konnten. Was die Gastgeber auch freut: Es sind einige Pirmasenser dabei. Der Einzelhandelsvorsitzende Erich Weiss ist einer davon. Auch er ist persönlich mit der Schuhindustrie verbunden: Sein Ururgroßvater sei aus Edesheim nach Pirmasens gekommen und habe ein Fuhrgeschäft aufgebaut, erzählt er bei der Stadtführung, damals wegen der wachsenden Schuhindustrie ein lukratives Geschäft. Und sein Urgroßvater habe für den damaligen Maschinenbauer Sandt Schuhmaschinen konstruiert. Der Großvater unterbrach die Linie: Er heiratete in ein Farben- und Tapetengeschäft ein. Ein „Schuhmacher“ der fünften Generation ist hingegen Stefan Markert; er führt mit Jürgen Becker den Familienbetrieb Carl Semler Schuhfabrik GmbH & Co, wo die Besucher die Produktion kennenlernen. Dort werden Damen-Komfortschuhe hergestellt, bis zu 2500 Paar am Tag. 550 Mitarbeiter gab es in Spitzenzeiten einmal. Heute sind es ebenso viele – mit dem Unterschied, dass davon etwa 400 in Ungarn arbeiten, wo die Löhne deutlich niedriger sind. Die Größenordnung von 150 Beschäftigten in Pirmasens wolle man aber halten, bekräftigt Markert. Dass hier Entwicklung, Produktion und Verwaltung unter einem Dach arbeiten, betrachtet er dafür als Pluspunkt. Ein einfaches Geschäft ist das „Schuhemachen“ trotzdem nicht, denn bis der Umsatz eingenommen ist, müssen die Unternehmer zum Teil bis zu einem Jahr in Vorleistung gehen – ohne gesunde Eigenkapitalquote und Banken mit Vertrauen funktioniere das nicht, betont Markert. Hinzu kommen Faktoren wie Konjunktur und Wetter, die eine Saison vermiesen können. Und nicht zuletzt der Wandel der Handelslandschaft, der vielen Einzelhändlern zu schaffen macht. Auf 2018 schaut Markert daher schon wieder verhaltener, nachdem der Umsatz (2017: über 25 Millionen Euro) zuletzt gestiegen war. Dennoch: Gehalten hat sich die Schuhfabrik in Pirmasens nun schon seit 1863, womit sie nach der Damenschuhfabrik Peter Kaiser die zweitälteste ist. Das Gründungsjahr verbindet sie mit der Louis Steitz Secura GmbH + Co. KG in Kirchheimbolanden, die Sicherheits- und Arbeitsschuhe herstellt. Und deren Geschäftsführer Michael Huth, gestern ebenfalls dabei, führt den Betrieb auch in fünfter Generation. In Pirmasens unterhält das Unternehmen eine Zwickerei mit 50 Mitarbeitern – weil hier die Fachkräfte zu finden seien, sagt Huth. Doch auch hier sind Fachkräfte nicht mehr so einfach zu finden. Die Zeit, als beinahe jeder Pirmasenser in einer der 300 Schuhfabriken arbeitete, ist vorbei, die Produktion ausgewandert ins Ausland. Aus Niedergegangenem ist freilich auch Neues entstanden. Nur ein Beispiel ist die 1998 geschlossene Rheinberger-Fabrik, in der einst bis zu 2000 Menschen 5000 Paar Schuhe täglich fertigten. Nach der Sanierung haben sich in der ehemals größten europäischen Schuhfabrik Dienstleister angesiedelt und in die alte Fabrik neues Leben gebracht.

Vorbei an der ehemaligen Damenschuhfabrik der Familie Kopp, die bis heute Eigentümerin der Immobilie ist.
Vorbei an der ehemaligen Damenschuhfabrik der Familie Kopp, die bis heute Eigentümerin der Immobilie ist.
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