Neustadt Zurück in die Neunziger

Ungewöhnlicher, aber faszinierender Sound: „Jazz Against the Machine“.
Ungewöhnlicher, aber faszinierender Sound: »Jazz Against the Machine«.

«Neustadt.» Voll war es im „Steinhäuser Hof“ beim Auftritt von „Jazz Against the Machine“ am Freitagabend. Die Band um den Trompeter Florian Wehse tritt seit zehn Jahren jedes Jahr beim Jazzclub Neustadt auf. Das begeisterte Publikum bestand aus alten Fans und vielen Neulingen.

Im Laufe des Konzerts kam viel Kontakt zwischen Band und Publikum zustande, nicht zuletzt wegen der launigen Moderation von Florian Wehse. Den Aficionados von Rock und Jazz geht beim Namen der Band gleich ein Licht auf: die Jazzer beziehen sich auf Rage Against the Machine, eine Rockband, die sich Anfang der 90er Jahre in Los Angeles formierte. So begann das Konzert mit deren Song „Killing in the Name“, dann ging es weiter zur Band Nirvana mit „On a Plane“. Der Titel dieses Konzerts und der neue Schallplatte/CD der Band zitiert „Nirvana“ mit dem Song „Come as you are“. Auch andere Bands der 90er Jahre werden dem Jazz-Modus anverwandelt, so die brasilianische Band „Sepultura“ mit rasend schnellen Rhythmen, Pearl Jam und Sound Garden, um nur einige zu nennen. Ist „Jazz Against the Machine“ eine Cover-Band? Jein. Natürlich sollen die Lieder erkannt werden, Grunge, Metal, Indie-Rock hört man durch, die Riffs werden nicht verändert. Dennoch hört man Jazz, die Rhythmik, die Improvisation, die Soli, vom Publikum einzeln beklatscht wie bei jedem Jazzkonzert. Allerdings ist der Sound ungewöhnlich. Der Bass, gespielt von Philipp Rehm, grummelt kommentierend in der Tiefe und wirft sich manchmal heftig dazwischen. Darüber liegt das Vibraphon, mit sichtbarer Freude gespielt von Claus Kisselbach, sehr melodisch, sehr prägnant. Mit Florian Wehse an Trompete oder Flügelhorn und Florian Schlechtriemen am Schlagzeug produzierten die Vier einen im Jazz ungewöhnlichen aber faszinierenden Klang. Nicht alle Stücke mussten, wie Florian Wehse sich ausdrückte, „durch den Jazzwolf gedreht werden“, die Stücke der Band Sound Garden sind rhythmisch anspruchsvoll genug, sodass man nicht mehr viel verändern muss. Ihr Song „Black Hole Sun“ hat es sogar in die Jazz-Standards geschafft. Die lauten und heftigen Stücke wurden durch den „Jazzwolf“ modifiziert, kommentiert und an den Rändern rhythmisch und melodisch aufgelöst. Besonders gern spielte die Band etwas bedächtigere und poetische Balladen. Florian Schlechtriemen sprang ein für den üblichen Schlagzeuger der Band, Philipp Rittmansperger, der zurzeit anderweitig musikalisch unterwegs ist. Alle Mitglieder der Band spielen auch in anderen Formationen. Schlechtriemen und Wehse kennen sich aus ihrer Teenagerzeit, in der sie die Band „Glaukoma“ gegründet haben. Sie waren zu dritt, alle drei haben sich beruflich der Musik verschrieben, zwei als Instrumentalisten, einer als Geigenbauer. Die übrigen Bandmitglieder kennen sich aus ihrer gemeinsamen Studienzeit an der Mannheimer Musikhochschule. Das war in Zeiten vor der Gründung der Popakademie. Alle wurden sie geprägt von ihrer Begeisterung als Teenager für die Musik der 90er. Der lebhafte Kontakt mit dem Publikum ist auch dem Umstand zu verdanken, dass die meisten in einem Alter waren, die diese Zeit musikalisch aktuell erlebt haben. Die Bezeichnung „Nostalgie“ für die 90er Jahre hat den Bassisten Rehm etwas erschrocken. „Nein“, protestierte er, „das ist ganz lebendig!“. So klang es auch, aber eine gewisse Wehmut in Erinnerung an die eigene Jugend und ihre emotionalen musikalischen Erfahrungen – das erste Knutschen zu einem Song, zum Beispiel – zog sich durch die Kommentare. Jedenfalls klang die Band total lebendig und aktuell, das Publikum und die Musiker schienen hochzufrieden, und es gab großzügig und freudig Zugaben.

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