Neustadt Wut und Zärtlichkeit

Neustadt. Mit Konstantin Wecker tritt am Sonntag in einer Woche einer der letzten Vertreter der Spezies „Traditioneller Liedermacher“ im Neustadter Saalbau auf. Der 67-jährige Münchner feiert mit seiner laufenden Tournee, die ihn mit Unterbrechungen noch den ganzen Sommer über quer durch Deutschland, aber auch nach Luxemburg, Liechtenstein und in die Schweiz führen wird, unter dem Titel „40 Jahre Wahnsinn“ vier Jahrzehnte Bühnenschaffen in den Bereichen Musik, Musical, Film und Literatur.

Wann genau Weckers Karriere so richtig ins Rollen kam, lässt sich heute so genau nicht mehr bestimmen, lief doch anfangs noch alles ein wenig chaotisch ab. Wecker spielte bereits als Kind am Münchener Staatstheater in einer Kinderoper mit, war Anfang der 70er Jahre Mitglied einer Rockband und wirkte bei cineastischen Perlen wie „Beim Jodeln juckt die Lederhose“ oder „O mei, haben die Ostfriesen Riesen“ mit, um sich finanziell über Wasser zu halten. Seine erste LP veröffentlichte er schließlich 1973: „Die sadopoetischen Gesänge des Konstantin Amadeus Wecker“. Echte Anerkennung fand er aber erst 1977 mit „Genug ist nicht genug“ und den darauf enthaltenen Stücken „Willy“ und „(Es herrscht wieder) Frieden im Land“, die auch heute noch oft Bestandteil seiner Livekonzerte sind. Als Liedermacher hat sich der überzeugte Pazifist in den folgenden Jahren zu einer Größe entwickelt, deren Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen ist. Wecker nennt die Dinge beim Namen, scheut sich nicht zu provozieren und Missstände ohne Rücksicht auf Verluste aufzudecken. Er engagiert sich für die Friedensbewegung und träumt vom idealen Anarchismus. „Einer der stärksten Triebe, die ich habe, ist es mich ausdrücken zu wollen, mich ausdrücken zu müssen“, sagt er. Dabei pendelt er zwischen feiner Poesie und beißender Ironie. „Politik wechselt sich bei Wecker mit Witz und Lebenslust ab. Doch bei aller schlitzohriger Verweigerung bleibt er immer eins: authentisch“, hieß es einmal über den Sänger, der sich meist selbst am Flügel begleitet und stets eine bunte Perlenkette um den Hals trägt. Ausgerüstet mit diesem Wissen wird seinen Fans vielleicht auch verständlich, wieso der Musiker, der lange Jahre gegen seine Kokainsucht ankämpfte, einerseits voller Begeisterung auf dem Gründungsparteitag der Partei „Die Linke“ auftrat und andererseits in der TV-Schmonzette „Der Landarzt“ in der Folge „Herzensreise“ mit nicht weniger Enthusiasmus neben Wayne Carpendale, dem Sohn des Schmusebarden Howard Carpendale, die Rolle des Schiffsarztes Dr. Matthias Lenz übernommen hat. Geld kann dafür kaum die treibende Kraft gewesen sein, denn auf seinem Twitter-Account schreibt Wecker aktuell: „Schon seit langem frage ich mich, weshalb es nicht jedem klar denkenden Menschen offensichtlich ist, dass jemand, der sich bereichert, weil er scheinbar aus Geld mehr Geld macht, schlicht zu den Strauchdieben unserer Gesellschaften zählt.“ Geldnot braucht Wecker, der schon seit den 1980er Jahren in der Toskana lebt, trotzdem nicht zu befürchten. 2011 veröffentlichte er mit „Wut und Zärtlichkeit“ sein bisher erfolgreichstes Album, das sich in Deutschland bis auf Platz 18 der Charts vorschieben konnte und es in Österreich sogar bis auf Platz zehn schaffte. 2014 schrieb er die Filmmusik zur Fernsehkomödie „Die Dienstagsfrauen – Sieben Tage ohne“ und veröffentlichte das Buch „Mönch und Krieger“, Untertitel: „Auf der Suche nach einer Welt, die es noch nicht gibt“. In dieser Publikation setzt er sich mit seinem Leben als Kämpfer für eine bessere Welt, aber auch als Mensch, der aufgrund seiner Drogensucht ganz unten angekommen war und wieder neu lernen musste sich aufzurappeln, auseinander. Wecker ist nicht berechenbar und auch niemals nur von einer Seite zu betrachten. Seine innere Zerrissenheit ist es, die ihn vorwärts treibt und ihn als Künstler so interessant macht. Nach Neustadt kommt er zusammen mit seiner Band, die aus der Cellistin Fany Kammerlander, dem Schlagzeuger, Perkussionisten, Gitarristen, Bassisten, Akkordeonisten und Tubisten Wolfgang Gleixner und seinem langjährigen Wegbegleiter, dem Keyboarder, Trompeter und Gitarristen Jo Barnikel besteht. Zu hören gibt es Weckers beste Songs, lyrisch-sensible Klavierstücke mit Reggae und Pop, verfeinert durch zusätzliche kleine Prisen aus dem Rock-, Blues- und Jazzbereich, angereichert mit Weckers warmer, voluminöser Stimme.

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